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Schweinegrippe: Das Notfallprogramm läuft an

Krisenstäbe, Meldeketten und Reise-Infos - Gesundheitsministerin Schmidt reagiert auf die "beunruhigende Situation". Ihre Botschaft lautet: Wir haben die Grippe im Griff.

Die Schweinegrippe hat Deutschland erreicht: In Hamburg, Kulmbach und Regensburg haben sich drei Menschen mit dem Influenza-Virus des Typs H1N1 angesteckt. Und es gibt weitere Verdachtsfälle in Bayern und in Nordrhein-Westfalen. Alle Erkrankten werden von den Gesundheitsbehörden überwacht und behandelt, keiner von ihnen schwebt in Lebensgefahr.

Im Gegensatz zu den vielen besorgten Menschen in Deutschland – allein in den ersten 90 Minuten erreichte die neugeschaltete Hotline des Bundesgesundheitsministeriums mehr als 100 Anrufe – gibt sich Ministerin Ulla Schmidt noch gelassen. "Die Situation derzeit ist beruhigend", sagte sie am Mittag auf einer Pressekonferenz in Berlin. In den vergangenen 24 Stunden habe es zwar eine starke Dynamik gegeben, aber "Deutschland hat sich früh und umsichtig vorbereitet".

Vorbereitungen laufen trotz unsicherer Sachlage

Wichtigster Baustein dieser Vorbereitung ist das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Die Forscher und Mediziner dort sind derzeit die einzigen, die das Virus tatsächlich nachweisen können. Das Analyseverfahren sei derzeit sehr komplex, so RKI-Präsident Jörg Hacker. Man arbeite aber daran, das Verfahren zu beschleunigen. Nur so könne man der Verunsicherung in der Bevölkerung entgegentreten.

Das versucht auch die Politik. So sprach Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder am Morgen zwar von einer "sehr, sehr ernsten Lage" und von einer "schwierigen Situation". Zu Aufregung aber gebe es keinen Anlass. Man reagiere "besonnen und vernünftig, aber auch konsequent", "erhöhte Wachsamkeit" sei nun das "oberste Gebot". Dennoch: "Panik ist völlig fehl am Platz."

Auch der Präsident des Bayerischen Gesundheitsamtes, Andreas Zapf, teilt diese Einschätzung – jedoch auf eine geradezu paradoxe Art und Weise: Bisher könne man nämlich noch gar nicht sagen, wie gefährlich das neue Virus tatsächlich ist. "Da halten wir uns noch bedeckt." RKI-Präsident Hacker bestätigt: "Das Virus ist wenig kalkulierbar", über den weiteren Verlauf könne man nur spekulieren, verlässliche Angaben könne derzeit niemand machen.

Infektionen sind Einzelfälle und Medikamente wirken bei Infizierten

Sicher ist, dass die bisher bestätigten Infektionen regional begrenzte Einzelfälle sind. Experten sowie Behörden sehen gute Gründe dafür, dass dies auch so bleibt. "Das Virus breitet sich nicht allzu schnell aus", sagt Fachmann Zapf. So habe beispielsweise der Ehemann der infizierten Frau aus Kulmbach keinerlei Symptome gezeigt. Bestätigt werde diese Einschätzung auch durch den Verlauf der Krankheit in den USA, ein Land, mit "vergleichbarem Gesundheitssystem". Auch dort sei das Virus relativ begrenzt, der Infektionsverlauf sei "vielversprechend".

Noch ein weiteres Indiz stimmt Experten und Gesundheitsministerin Schmidt optimistisch: "Die Arzneimittel wirken!" Die Therapie mit antiviralen Mitteln wie Tamiflu sei richtig. "Es kann geholfen werden", sagt Schmidt, und das sei doch beruhigend. Dazu komme, dass Bund und Bundesländer sowie die Länder untereinander "reibungslos" zusammenarbeiteten und alle wichtigen Informationen austauschten. "Die erforderlichen Kommunikationsstränge – auch zum Robert-Koch-Institut – sind gelegt und werden genutzt."

Unter den Maßnahmen sind eine Meldepflicht und Informierung aller Reisenden

Dennoch nehme man die neue Krankheit "natürlich nicht auf die leichte Schulter", sagt Schmidt. In den nächsten Tagen werde ihr Haus eine Verordnung herausgeben, wonach jeder Arzt dazu verpflichtet ist, einen begründeten Verdacht auf Schweinegrippe sofort den Gesundheitsbehörden zu melden. Darüber hinaus stehe ein gemeinsamer Krisenstab des Gesundheits- und des Innenministeriums in den Startlöchern. "Bisher war ein Treffen noch nicht notwendig", sagte Schmidt. Aber wenn das der Fall sein sollte, würden die Mitarbeiter von "einer Minute zur anderen" zusammenkommen.

Wichtig sei auch die Information der Reisenden, "aller Reisenden", sagt die Ministerin. "Also sowohl die ankommenden als auch die abfliegenden Passagiere." An den Flughäfen würde Infomaterial verteilt, Ärzteteams stünden bereit, um Betroffene gleich zu behandeln und im Zweifel eine Einweisung in ein Krankenhaus zu veranlassen. Ansonsten gelte: "Wer nicht unbedingt nach Mexiko muss, der sollte es lieber sein lassen." Alle Rückkehrer sollten die generell empfohlenen Hygienemaßnahmen beachten, also sich vor allem die Hände waschen. "Vor allem beim Niesen oder Husten könnten Grippe-Erreger auf die Hände gelangen und dadurch weiterverbreitet werden", warnt Hacker.

Krisentreffen der EU findet am Donnerstag statt

Trotz aller Beschwichtigungen, offenbar sieht auch die EU Handlungsbedarf. Die tschechische Ratspräsidentschaft hat für den morgigen Donnerstag ein Krisentreffen einberufen, im Vordergrund stehen der Informationsaustausch und die gemeinsame Abstimmung bei der Grippebehandlung, der mögliche Einsatz von Impfstoffen und die Verhängung von Reiseverboten.

Das Hauptaugenmerk der deutschen Gesundheitsbehörden richtet sich zur Stunde aber vor allem darauf, die Ausbreitung der Grippe zu behindern. Inzwischen sei klar, dass "ganz Deutschland betroffen" ist, sagte Bayerns Gesundheitsminister Söder. Bund und Länder versuchten aber alles, um die Grippe einzudämmen. "Die Infektionswege müssen unterbrochen werden", mahnt Ministerin Schmidt. Dazu müsse aber jeder, der bei sich entsprechende Symptome beobachte, seinen Hausarzt konsultieren und Freunde und Familie benachrichtigen. "Nur wenn wir die Krankheit frühzeitig erkennen, kann so wie bisher Schlimmeres verhindert werden." (Zeit online)

Karin Geil

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