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Ohne Einfluss: Oppositionsanhänger feiern Berlusconis Niederlage.

© AFP

Politik: Schwere Niederlage für Berlusconi

Italiener stimmen mit überwältigender Mehrheit gegen den Wiedereinstieg in die Atomenergie und andere Pläne des Premiers

Zwei Wochen nachdem Silvio Berlusconi die italienischen Kommunalwahlen in geradezu spektakulärer Weise verloren hatte, haben Italiens Bürger ihrem Regierungschef eine noch weit schwerere Niederlage beigebracht. Bei der Volksabstimmung vom Sonntag und Montag sprachen sich 95 Prozent der Wähler gegen drei Pläne der Regierung aus: gegen die Rückkehr Italiens zur Atomkraft, gegen die Selbstbefreiung Berlusconis von seinen privaten Gerichtsterminen und gegen die Privatisierung der Trinkwasserversorgung.

Obwohl die Regierung massiv versucht hatte, die Bürger – bei einem tendenziell absehbaren Wahlausgang – zum Fernbleiben von den Urnen zu drängen, gingen 57 Prozent der gut 50 Millionen Stimmberechtigten zur Wahl. Damit lag die Beteiligung um sieben Punkte über der zur Gültigkeit nötigen Marge; zum ersten Mal seit 16 Jahren war in Italien eine Volksabstimmung erfolgreich.

Bereits nach Bekanntwerden der hohen Beteiligung sprach der sozialdemokratische Oppositionsführer Pier Luigi Bersani von einer „Scheidung zwischen Land und Regierung“ und verlangte den Rücktritt Berlusconis. Von einer solchen Forderung indes distanzierte sich, wahrscheinlich erstmals in seinem politischen Leben, der Chef der linken Kleinpartei „Italien der Werte“, Antonio Di Pietro. Mit seinen Unterschriftensammlungen hatte der frühere Mailänder Star-Staatsanwalt das Referendum erzwungen. Er sagte, es hätten offensichtlich auch viele Anhänger Berlusconis gegen dessen Pläne gestimmt; „aus Respekt vor diesen Leuten“ dürfe man jetzt nicht gleich den Sturz der Regierung verlangen. Berlusconi selbst sagte in seiner ersten Reaktion nur knapp, der Wille der Italiener sei „eindeutig“, Regierung und Parlament müssten ihn nun „zur Gänze anerkennen“.

Meinungsumfragen waren vor dem Referendum zwar nicht veröffentlicht worden, aber dass die Stimmung im Volk eindeutig gegen die Atomenergie ist, hatte sich bereits abgezeichnet. Schon 1987 hatten die Wähler mit 80 Prozent ihrer Stimmen das Ende der damals blühenden italienischen Atomwirtschaft durchgesetzt; das Unglück im japanischen Fukushima hat die Ängste neu entfacht.

Von Ängsten geprägt war auch die Kampagne über die Zukunft der italienischen Wasserversorgung; weite Teile auch des rechten, konservativen, katholischen Publikums befürchteten eine allein auf Gewinn ausgerichtete Kommerzialisierung eines „unteilbaren Allgemeinguts“.

Weil die Fronten quer durch die Parteienlandschaft liefen und weil auch im regierenden rechten Lager keinerlei Einigkeit zustande gekommen war, hatte Berlusconi die Abstimmung für seine Anhänger freigegeben. Er hatte das Referendum allerdings als „unnötig“ bezeichnet und die Bürger dazu gedrängt, ihr „Recht aufs Nichtwählen“ in Anspruch zu nehmen. Dabei ging der Regierungschef mit eigenem Beispiel voran.

Die Strategie war eindeutig: Berlusconi legte es darauf an, den Zulauf zum Referendum unter der notwendigen Marge von 50 Prozent zu halten. Damit wäre die Volksabstimmung ungültig gewesen – und Berlusconi hätte seine Politik ungestört weiterbetreiben können.

Die italienische Opposition hingegen setzte auf eine umso stärkere Mobilisierung. Und um die Anhänger Berlusconis nicht zu vergraulen, verzichteten selbst die extremen Linken im Wahlkampf vollständig darauf, die Frage zum politischen Thema zu erheben, ob Berlusconi sich per Gesetz selbst von seinen Gerichtsterminen befreien durfte. Das Verfassungsgericht hatte das entsprechende Gesetz bereits zurechtgestutzt.

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