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Politik: Seine erste Liebe war die Sowjetunion

Vor zehn Jahren starb Erich Honecker – bis zuletzt konnte er den Untergang der DDR nicht verstehen

Privat spielte er gerne Skat, hatte 42 Jagdflinten – und manchmal sah er sich Pornofilme an. Beruflich teilte er sein Land mit einer Mauer, stieg zu einem der wichtigsten deutschen Politiker auf – und scheiterte an sich selbst. Fast 20 Jahre lang hat Erich Honecker die DDR allein regiert; bis der halbe Staat unterging und der entmachtete Staatschef flüchtete. Vor zehn Jahren, am 29. Mai 1994, starb Honecker in Chile. Die Urne mit seiner Asche bewahrt seine Frau Margot auf.

Schon als Kind verteilt der Arbeitersohn aus dem Saarland Flugblätter. 1929, Honecker ist 17, wird er Dachdecker – und tritt in die KPD ein. Er geht in die Sowjetunion, lernt die Ideologie von Lenin und Stalin und baut im Ural ein Stahlwerk mit auf. In seiner Beurteilung wird er als „starker, selbstständiger Junge“ beschrieben; er selbst sagt später: „Meine erste Liebe war die Sowjetunion.“ Nach seiner Rückkehr sperren ihn die Nazis ein: zehn Jahre Zuchthaus.

In der DDR macht Honecker Karriere. Mit straffer Hand baut er die Jugendorganisation FDJ auf, im SED-Politbüro hält er Staats- und Parteichef Walter Ulbricht die Treue. 1961 organisiert er den Bau der Mauer, die er als „antifaschistischen Schutzwall“ rechtfertigt. Den Tod hunderter Menschen verantwortet er mit. In einem Befehl, abgezeichnet mit seinem Kürzel E.H., heißt es: „Gegen Verräter ist die Schusswaffe anzuwenden.“

Honecker ist rücksichtslos. 1971 entmachtet er Ulbricht durch eine Intrige, Regimekritiker lässt er einsperren oder aus dem Land werfen. Honecker reist viel um die Welt. Ziel: die Anerkennung der DDR. Daheim übt er sich in Volksnähe – zunächst mit sozialen Lockerungen, dann mit der Beschwörung konservativer Werte wie Geborgenheit. Aber die Menschen glauben den Sprüchen – „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“ – nicht. Sie sehnen sich nach Freiheit des Redens und Reisens. Honecker bleibt starr. Gorbatschows Reformen in der Sowjetunion nennt er „unbrauchbar“, Demonstranten lässt er verprügeln, Telefonate und Briefe aller Bürger von der Stasi überwachen. Er selbst schottet sich in Wandlitz ab – mit Genussmitteln aus dem Westen und japanischen Parabolantennen auf dem Dach.

Als im Oktober 1989 die DDR 40 Jahre alt wird, lässt sich der greise Mann mit Paraden feiern. Auf den Straßen ruft das Volk nach Freiheit. Honeckers DDR – „das Land, für das ich gelebt habe“ – zerfällt, der Staats- und Parteichef muss „aus gesundheitlichen Gründen“ abtreten. Als die Mauer fällt, sitzt Honecker vor dem Fernseher und ist „tief erschüttert“.

Er war ein Arbeitersohn, ein Antifaschist. Vor allem aber war er ein skrupelloser Machthaber, der bis zuletzt nicht verstand, warum die Menschen vor seinem harten, halben Staat davonrannten. Erich Honecker starb mit 81 Jahren im Exil. Über seine DDR sagte er noch: „Sie war ein Experiment, das gescheitert ist.“

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