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Politik: Seine Wege

Von Stephan-Andreas Casdorff

Ein Anfang, ein Abschied. Den Anfang haben wir gesehen, den ohne ihn. Der war, was die große Koalition angeht, aber dann doch auch in seinem Stil, mit ein wenig Pathos und einem Schuss Heiterkeit. Da kam zusammen, was der Wähler zusammengefügt hat – und er, mit einem letzten Kraftakt. Sie kommen zusammen, weil sie Deutschlands Kraft vertrauen, wie seine erste Regierungserklärung übertitelt war. Ja, es ist so weit. Gerhard Schröder geht.

Zum Abschied will er „My Way“ hören. Von ganz unten kam er, eigentlich immer. Und seine siebenjährige Kanzlerschaft begann holpernd, mit Fehlern, mit Niederlagen, so dass viele meinten, sie werde nicht lange währen. Die Landtagswahl in Hessen ging verloren, direkt die erste nach der großen Kohl-Abwahl, weil Schröder nicht vieles besser machte, nur anders und nicht wirklich gut. Mit neuer (Selbst-)Organisation wurde es anders, auch besser. Wurde es gut?

Das alles kam mit ihm: Steuer- und Rentenreform, Atomausstieg, Homo-Ehe, Agrarwende, Staatsbürgerrecht, Zuwanderungsgesetz, die Agenda 2010. Anders gemacht, um es so zu sagen, wurde vieles, im Grunde ständig geändert, so viel, dass das Wort Reform sich zum Begriff für Schrecken veränderte. Dann waren da auch noch die Kriege, der auf dem Balkan, der in Afghanistan, beide mit ausdrücklicher deutscher Beteiligung, und der Irakkrieg, an dem sich Deutschland demonstrativ nicht beteiligte. Die große Flut in Dresden und anderswo nicht zu vergessen! Wer so zurückschaut, innehält, das Gesehene aus dem Zeitraffer herausnimmt, der muss sagen, es war eine Zeitenwende. Nicht nur wegen des 11. September 2001. Und immer hieß der Kanzler: Schröder. So wird einer zur Konstante mit der Zeit.

Eine Konstante für die Wähler nicht zuletzt. Denn er veränderte sich ja auch, sehr sogar. Die Jahre sieht man ihm an, das sagt er selbst. Aber auch an seinem Kurs kann man es ablesen. Es begann mit dem Dritten Weg und einer Quasi-Freundschaft mit dem sozialdemokratischen Bruder Tony Blair. In der Zwischenzeit gab es den – auch so genannten – eigenen deutschen Weg. Der fand seinen Grund besonders in der Außen- und Sicherheitspolitik, vom Handeln im Irakkrieg über die EU, die Haltung zur Türkei bis hin zum Anspruch auf einen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat. Die uneingeschränkte Solidarität der früheren Tage galt nicht mehr den USA, sondern dem Bruder im Geiste, dem konservativen Jacques Chirac. Am Ende war es aber nur noch sein Weg. Er wollte ihn bis zu Ende gehen, so oder so.

Und so ist es heute: Schröder hat verloren, aber auch vieles gewonnen. Wahlen, die sowieso, in Niedersachsen wie im Bund. Dazu hat er erreicht, dass sich die Republik verändert, in ihren Grundfesten wie im Stil. Ein Gewinn bleibt, dass vieles offener, freier geworden ist, die Art des Umgangs in der Gesellschaft bis hin zu ihren neuen Größen. Multikulti auf Deutsch – auf seine Weise war das eine Erneuerung, von der schon Helmut Kohl als Kanzler gesprochen hat.

Die große Koalition, die ohne Schröder stattfindet, folgt seinem Weg. Er war gestern präsent, ohne es zu sein, es sind die Inhalte vereinbart worden, die in seiner Kanzlerschaft angelegt wurden. Mit seiner Agenda fängt diese Koalition an, mit alledem, mit Hartz und Härten. Sogar die Finanzpolitik wird fortgeführt, was nicht nur Hans Eichel Tränen in die Augen treibt. Das bleibt. Und was hat Gerhard Schröder immer gesagt? Euch werde ich es schon zeigen.

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