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Politik: Selbst bei Gewerkschaftern ganz vorn Wahlforscher einig: Nur die CSU

ist in Bayern noch Volkspartei

Die Entscheidung der Bayern, Edmund Stoiber und der CSU ihre Stimme zu geben, war offenkundig keine Glaubensfrage. Denn der Partei ist am Sonntag auch in puncto Religion ein Durchbruch gelungen: Nicht nur bei Katholiken und Protestanten wurde sie stärkste politische Kraft, sondern ebenfalls bei den konfessionell ungebundenen Wählern. Damit hatten die Wahlforscher so nicht gerechnet. Aber dieser Erfolg passt wiederum in das Gesamtbild, das die Experten vom Wahlausgang zeichnen. Selbst dort, wo die CSU bisher als weniger stark gilt (oder galt), gibt sie jetzt den Ton an.

Besonders hart trifft die neue Dominanz die SPD. Viele ihrer traditionellen Bastionen wurden am Sonntag regelrecht geschliffen. Mit einem deutlichen Zuwachs von 19 Punkten liegt die CSU nun zum Beispiel bei den Arbeitern sogar noch klar über ihrem landesweiten Ergebnis (65 Prozent). Selbst bei den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern büßte die Sozialdemokratie dramatisch an Stimmen ein. Gewerkschaftsmitglieder hatten sich laut einer Analyse von Infratest dimap in der Vergangenheit mehrheitlich zumeist für die SPD entschieden. Diesmal gaben sie jedoch der Regierungspartei klar den Vorzug (56 Prozent). Auch bei jungen Frauen konnte Stoiber überraschend deutlich punkten (plus 22 Prozent). Diese Wählergruppe hatte bei der Bundestagswahl vor einem Jahr noch einen Sieg des bayerischen Ministerpräsidenten verhindert. Hinzu kommt ganz generell, dass die CSU von fast allen anderen Parteien Stimmen abziehen konnte. Eine Volkspartei? Dieser Begriff hat nach Einschätzung der Fachleute von Infratest dimap seit Sonntag eine neue Bedeutung. Und das aus einem einfachen Grund: Die Christlich Soziale Union verfügt in allen Bevölkerungsgruppen über eine Mehrheit.

Sieg mit Schönheitsfehlern

Ein Triumph auf der ganzen Linie. Darin stimmen die Meinungsforscher überein. Dennoch hat der Sieg und der damit einhergehende Gewinn der Zweidrittelmehrheit der Mandate einen Schönheitsfehler: die Wahlbeteiligung. Nur 57,3 Prozent der rund neun Millionen stimmberechtigten Bayern machten ihr Kreuz bei einer der Parteien. Vor fünf Jahren waren es noch 69,8 Prozent. Ein Rückgang mit Folgen. Denn dadurch büßten alle Parteien in absoluten Zahlen Stimmen ein, auch die CSU.

Hatten sich bei der Bundestagswahl 2002 noch 4,3 Millionen Menschen für Stoibers Partei entschieden, waren es am Sonntag bei der Landtagswahl lediglich 3,1 Millionen. Dies ist nach einer Analyse des Berliner Forsa-Instituts der niedrigste CSU-Anteil bei einer Landtags- oder Bundestagswahl seit vier Jahrzehnten. Anders ausgedrückt: 34 von 100 Wahlberechtigten votierten für die CSU, vor einem Jahr waren es aber noch 47 von 100 Wahlberechtigten. Dass am Sonntag 3,9 Millionen Menschen einfach zu Hause blieben, hatte noch eine andere spektakuläre Folge. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte gab es in Bayern mehr Nicht-Wähler als CSU-Wähler.

Für die Regierungspartei hatten die geringere Wahlbeteiligung (also das Mobilisierungsproblem) und die Stimmenverluste aber keine größeren Folgen – dank der dramatischen Schwäche der SPD. Sie verlor knapp ein Drittel ihrer Wähler und sank unter die 20-Prozent-Marke. Nur noch etwa eine Million Bürger entschied sich für die Sozialdemokraten. Bei der Bundestagswahl waren es fast doppelt so viele (1,9 Millionen). Das heißt, lediglich elf von 100 Wahlberechtigten gaben der Partei ihre Stimme. Noch schlechter schnitt die SPD nur bei der Europawahl 1999 ab. Damals erreichten die Sozialdemokraten zehn von 100 Wahlberechtigten.

Hört die Signale – das legen die Experten von Infratest dimap der SPD und ihrer Führung indirekt nahe. Sie sehen in dem Desaster vom Sonntag Anlass genug, um ihrer Wahlanalyse warnende Worte voranzustellen: In Bayern drohe der SPD „der Verlust des Status einer Volkspartei“. Vielleicht haben deshalb Landesparteichef Hoderlein und Generalsekretärin Biedefeld die Notbremse gezogen. Beide erklärten am Montag ihren Rücktritt.

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