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Blick in eine Zelle der ehemaligen DDR-Frauenhaftanstalt Hoheneck in Stollberg (Sachsen)

© dpa

DDR-Gefängnisse: Selbst mit dem Blut der Häftlinge wurde gehandelt

Zwangsarbeit für den Klassenfeind: Häftlinge aus DDR-Gefängnissen produzierten in Betrieben auch für West-Firmen. Eine Studie der Stasiunterlagenbehörde enthüllt dazu neue Details.

Von Matthias Schlegel

Häftlinge in DDR-Gefängnissen sind offenbar zum Spenden von Blut gezwungen worden, das dann ins westliche Ausland verkauft wurde, damit der Staat Devisen erlösen konnte. Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" habe das Bayerische Rote Kreuz (BRK) die Blutkonserven über einen Schweizer Zwischenhändler aufgekauft. Das BRK bestätigte dies dem ARD-Magazin, äußerte sich am Dienstag jedoch auf Anfragen der Nachrichtenagentur dpa zunächst nicht zu diesen Vorgängen.

Damit wäre das Bild von der Gier der DDR nach Devisen und daraus resultierenden zwielichtigen Geschäften mit der damaligen Bundesrepublik um eine Facette reicher. Das ARD-Magazin beruft sich mit seinen Informationen auf eine bislang unveröffentlichte Studie der Stasiunterlagenbehörde (BStU). Sie bestätigte unterdessen, dass es in den Haftanstalten Gräfentonna (Thüringen) und Waldheim (Sachsen) zu derartigen Blutspenden gekommen sei.

Aus der Studie des BStU-Mitarbeiters Tobias Wunschik mit dem Titel "Knastware für den Klassenfeind" wird auch deutlich, dass in den 70er und 80er Jahren nicht nur Ikea zahlreiche Produkte bezogen hatte, die in DDR-Betrieben von DDR-Häftlingen hergestellt worden waren. So waren zum Beispiel auch Aldi und VW an solchen deutsch-deutschen Geschäftsbeziehungen beteiligt.

Das war von beiderseitigem Vorteil. Wunschik sagte dem Magazin, die DDR sei aus unternehmerischer Sicht ein Billiglohnland gewesen. Er kommt zu dem Schluss, dass jährlich mindestens 200 Millionen DM mit Waren umgesetzt wurden, die allein auf Häftlingsarbeit beruhten. So ließ zum Beispiel der Discounter Aldi, vermittelt über DDR-Außenhandelsbetriebe, große Mengen von Erzeugnissen im VEB Strumpfkombinat Esda Thalheim produzieren. Dort wurden auch weibliche Gefangene aus dem berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck zur Zwangsarbeit verpflichtet. Aldi Nord und Aldi Süd bestätigten dem ARD-Magazin derartige Geschäftsbeziehungen. Sie betonten jedoch, weder damalige noch heutige Mitarbeiter hätten Kenntnis davon gehabt, dass Häftlinge in dem Betrieb eingesetzt worden seien.

Der Volkswagen-Konzern bestätigte dem Magazin, dass im Zuge von Kompensationsgeschäften Lampen, Abdeckkappen, Radschrauben oder Nebelscheinwerfer und -schlussleuchten von einem DDR-Handelsunternehmen bezogen wurden, die vom VEB Kombinat Fahrzeugelektrik Ruhla geliefert worden waren. Auch in diesem Betrieb waren den DDR-Unterlagen zufolge Gefangene in der Produktion eingesetzt. Auch VW betont, weder damals noch heute Kenntnis darüber gehabt zu haben, dass Häftlinge für diese Arbeiten herangezogen wurden.

Unterdessen appellierte der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, an die Unternehmen, ihre Archive zu öffnen und weitere Aufklärung finanziell zu unterstützen. Er brachte einen Fonds ins Gespräch, mit dem eine Wiedergutmachung finanziert werden könne.

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