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71 Seiten umfasst das Papier eines Sachverständigen, das sich mit der Frage befasst, ob bei Beate Zschäpe die „psychopathologischen Voraussetzungen“ vorliegen, sie in Sicherungsverwahrung unterzubringen.

© dpa/picture alliance

Psychologisches Gutachten über Beate Zschäpe:: Selbstbewusst und psychisch gesund

Lebhaft, selbstbewusst und burschikos: Sie beschreibt ein Sachverständiger Beate Zschäpe. Das psychologische Gutachten über die NSU-Angeklagte soll dem Oberlandesgericht München Aufschluss über die Schuldfähigkeit der Angeklagten geben.

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Ein scheuer Mensch ist Beate Zschäpe offenbar nicht. Sie habe sich „trotz schwieriger familiärer Aufwachsbedingungen“ wohl doch zu einer „lebhaften, selbstbewussten, burschikosen und eher auf männlichen Umgang ausgerichteten jungen Frau entwickelt“, zitiert der psychiatrische Gutachter Henning Saß aus der Zeugenaussage von Zschäpes Cousin. Saß, ehemaliger Leiter des Universitätsklinikums Aachen, hat im Auftrag des Oberlandesgerichts (OLG) München zum NSU-Prozess ein „vorläufiges“ Sachverständigengutachten über Zschäpe erstellt.

Das 71 Seiten umfassende Papier soll sich mit der Frage befassen, ob bei Zschäpe die „psychopathologischen Voraussetzungen“ vorliegen, sie in Sicherungsverwahrung unterzubringen. Die Bundesanwaltschaft sagt in der Anklage, die Voraussetzungen seien gegeben. Das Gutachten schickte Saß im März dem OLG, der Inhalt wurde jetzt bekannt.

Auch wenn Saß die Frage nicht abschließend beantwortet, so ist dem Gutachten zu entnehmen, dass er Zschäpe für psychisch gesund hält – zumindest für die Zeit bis zum Januar 1998, als die heute 38-Jährige gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in den Untergrund ging. Der Facharzt musste sich aber auf Aussagen von Zeugen verlassen, Zschäpe selbst lehnte es ab, sich befragen zu lassen. Saß hat „keine Anhaltspunkte für einen relevanten Missbrauch von Alkohol, Drogen oder Medikamenten“. Ebenso wenig sieht Saß in Zschäpes Biografie vor 1998 Hinweise, dass sie „an einer relevanten psychischen Störung gelitten hätte“, etwa einer schizophrenen Psychose „oder einer Neigung zu depressiven Verstimmungen, von Angst- und Zwangssymptomen oder einer Störung der Impulskontrolle“.

In den Zeugenaussagen, die Saß auswertete, wird jedoch deutlich, dass Zschäpe eine schwierige Kindheit hatte. Ihr leiblicher Vater, ein rumänischer Zahnmediziner, wollte mit der Tochter nichts zu tun haben. Auch die weiteren Partner von Zschäpes Mutter hätten offenbar „keine dezidierte Vaterrolle eingenommen“, steht im Gutachten. Und mit der zeitweise arbeitslosen Mutter gab es schwere Probleme. Annerose Zschäpe war mit der Erziehung überfordert und trank. Beate Zschäpe wuchs, wie sie selbst kurz nach der Festnahme im November 2011 der Polizei sagte, als „Omakind“ auf. In den 90er Jahren fand Zschäpe eine Ersatzfamilie in einer rechten Clique, vor allem in der Freundschaft mit Mundlos und Böhnhardt.

Im Vorfeld des Prozesses geht die Debatte um Konsequenzen aus dem Vergabeverfahren für die Presseplätze weiter. Forderungen nach Videoübertragungen bei Prozessen werden laut. Der Chef des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU), will mit seinen Ausschusskollegen darüber reden. Er selbst ist aber skeptisch. „Eine Videoübertragung in einen anderen Raum bedeutet auch zusätzlichen personellen Aufwand, weil dieser Raum von einem Richter oder einer ähnlichen Person kontrolliert werden muss“, sagte er. Außerdem müssten technische Fragen geklärt werden: Wird in einer Totalen aufgenommen oder steht immer der Angeklagte im Fokus? „Das wirft auch Fragen nach der Menschenwürde auf. Man muss deshalb sehr aufpassen, dass man sich mit einer Videoübertragung nicht mehr Probleme schafft als Vorteile.“

Der freie Journalist Oliver Renn wurde nachträglich für einen reservierten Platz in dem Prozess ausgelost. Der Platz war aufgrund einer Panne wieder freigeworden. Die „FAZ“ kann auf einen reservierten Platz im Gerichtssaal zählen, weil ihr die zur Mediengruppe Madsack gehörende „Oberhessische Presse“ ihren Presseplatz überlässt.

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