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Politik: Separatismus: "Der Staat darf nicht jeden Widerstand als Terror brandmarken"

Ernst-Otto Czempiel (73) war langjähriger Direktor der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt.Was erleben wir in Spanien oder Moskau?

Ernst-Otto Czempiel (73) war langjähriger Direktor der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt.

Was erleben wir in Spanien oder Moskau? Terror oder Separatismus?

Man muss beides wirklich auseinander halten. Es sind Auswirkungen separatistischer Regungen, die terroristische Strategien verwenden. Kurz: Es sind gesellschaftliche Gruppen, nichtstaatliche Akteure, die Gewalt anwenden. Und die muss man unterscheiden von reinen Terroristen, die gar kein politisches Ziel haben, sondern lediglich Aufsehen erregen wollen, wie zum Beispiel die Bomber in Oklahoma.

Es gibt also keinen gemeinsamen Nenner zwischen den Separatisten in Spanien, Nordirland, Korsika oder im Kaukasus?

Doch. Die politisch motivierte Gewaltanwendung, die den größten Teil dessen ausmachen, was wir als Terrorismus bezeichnen, hat einen gemeinsamen Nenner: Es handelt sich um bewaffneten Widerstand von Gruppen gegen die von ihnen nicht mehr akzeptierte Herrschaft. In vielen Fällen gingen diesem Widerstand Jahre oder Jahrhunderte zuvor eine kolonialistische Eroberung dieser Herrschaft voraus.

Müssen wir diese Dinge so hinnehmen oder kann man dagegen etwas tun?

Man kann selbstverständlich etwas dagegen tun. Man muss sich darüber im Klaren werden, woher diese Widerstände kommen und wie sie überwunden werden können. Ob es sich lediglich um kleine Gruppen handelt, wie zum Beispiel in Korsika oder um große Gruppen wie in Tschetschenien oder im Kosovo. Und je nachdem wird man diesem Widerstand nachgeben müssen, man wird die Freiheitsinteressen unterdrückter Gesellschaften respektieren müssen. Das gilt von Palästina bis Nordirland. Und das ist die einzige Form, den so genannten Terror aus der Welt zu schaffen.

Welche Verantwortung hat dabei die Politik?

Die Politik muss diese Anforderungen erfüllen. Der Staat muss aufhören, jeden Widerstand, der gegen seine Herrschaft ausgeübt wird, als Terrorismus zu brandmarken und damit zu unterschätzen. Er muss sich darüber im Klaren werden, wie die politischen Ursachen liegen und muss ihnen nachgeben. Die Idee, dass ein Staat auch eine Nation darstellt, ist überholt und falsch. Was wir brauchen, ist die Idee des multinationalen Staates, das heißt ein Angebot großer Autonomie. Das hat man in Tschetschenien versucht, im Kosovo versäumt, das läuft in Nordirland noch immer nicht. Und wenn das nicht hilft, muss sich der Staat damit abfinden, dass es eine Phase geben wird, in der die Gruppe, die nicht mehr unter seiner Ägide leben will, eine selbstständige politische Einheit bildet. Der frühere amerikanische Geheimdienstchef, Robert Gates, hat das Problem auf den gültigen Satz gebracht: Wer diese Gewaltanwendung vulgo Terrorismus aus der Welt schaffen muss, muss nur die politischen Probleme lösen, die ihm zu Grunde liegen.

Was erleben wir in Spanien oder Moskau? Terror ode

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