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Politik: Separatismus: Eine aussterbende Art - in Europa (Kommentar)

Rückkehr einer Landplage. In Moskau und Madrid explodieren Bomben.

Rückkehr einer Landplage. In Moskau und Madrid explodieren Bomben. Auf Korsika erinnerte der Mord an zwei Nationalistenführern am Wochenende daran, dass auch Frankreich ein Separatismusproblem hat. In Nordirland wurde Ende Juni wieder ein Bombenanschlag verübt, die Oranier marschieren ebenso unversöhnlich weiter wie die IRA sich weigert, die Waffen abzugeben. Bestimmen Sezessionsbewegungen und Terrorismus die Zukunft Europas: vom Balkan bis Russland, von Spanien bis nach Kurdistan? Sind sie womöglich eine Gegenbewegung zur politischen und wirtschaftlichen Integration des Kontinents?

Vor einem dreiviertel Jahr war das Bild hoffnungsvoller. Der Terrorismus schien allmählich auszusterben. Abdullah Öcalan, Chef der kurdischen Terrororganisaton PKK, war verhaftet. Im Baskenland und auf Korsika hatten die Unabhängigkeitsbewegungen der Gewalt abgeschworen. In Irland war das Karfreitagsabkommen 1998 der Wendepunkt. Zwar kam es noch zu vereinzelten Attentaten, ja zu Blutbädern wie im Sommer 1998 in Omagh. Aber diese Bombe mobilisierte selbst Bevölkerungsgruppen zu Friedensdemonstrationen, die zuvor ängstlich geschwiegen hatten. Ähnlich in Spanien: Als die baskischen Terroristen Ende 1999 die Waffenruhe aufkündigten, protestierten Hunderttausende.

Nein, diesen Spannungsherden gehört nicht die Zukunft. Sie sind Ausdruck ungelöster Konflikte der Vergangenheit. Langfristig lassen sie sich befrieden: mit einer Mischung aus Härte gegen die unversöhnlichen Terroristen und Dialog mit den Kompromissbereiten. Das ist kein gerader, kein schneller Weg. Doch Irland und Spanien belegen, dass der Übergang vom Zentralstaat zum Föderalismus und die wachsende Demokratisierung ein neues Klima schaffen. Rückschläge lassen sich nicht verhindern. Aber sie sind ein letztes Aufbäumen der Gewalttäter und keine grundsätzliche Wende zurück zum Terror.

Diese politischen Bedingungen fehlen noch weitgehend in der Türkei und, erst recht, in Russland. Schlimmer noch, es mangelt an der Einsicht, dass sich der Terrorismus nicht mit polizeistaatlichen Methoden allein besiegen lässt, dass eine politische Lösung gefunden werden muss: Teilhabe durch Demokratie, womöglich regionale Autonomie. Und selbst das genügt nicht, wenn nicht der ökonomische Aufschwung hinzukommt. Spanien und die Republik Irland haben die EU-Hilfen wohl am besten von allen jüngeren Mitgliedern genutzt. Das war ein Vorbild für Nordirland, auch das nahm dem Separatismus und Terrorismus hier wie dort die soziale Basis.

In Irland, in Spanien, auf Korsika wird man die Rückschläge überwinden. Die Türkei ist noch ganz am Anfang des langen Wegs zur politischen Lösung. Für Russland ist zu befürchten, dass es noch viele Anschläge geben wird, bis die Führung in Moskau sich überhaupt zu diesem Weg bereit findet.

Aus der Welt schaffen lässt sich der Terror aber nicht. Neben dem Wunsch nach Selbstbestimmung gibt es ganz andere Motive, siehe das Giftgas-Attentat auf die Tokioter U-Bahn durch die Aun-Sekte, die Angriffe auf Abtreibungskliniken in den USA, den Una-Bomber oder die Nagelbombe im Olympiapark von Atlanta. Sekten und fanatische Weltverbesserer sind gegen die politischen Befriedungsansätze einer zivilen Gesellschaft immun. Aber sie sind isoliert - und lassen sich deshalb leichter polizeilich bekämpfen.

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