zum Hauptinhalt
Ivica Dacic ist Außenminister Serbiens und Vorsitzender der Sozialistischen Partei.

© Reuters

Serbiens Außenminister Ivica Dacic im Interview: „Russland hat nie Druck auf uns ausgeübt“

Serbien will in die EU, den Sanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise schließt es sich nicht an. Außenminister Ivica Dacic verteidigt die Position Belgrads.

Herr Außenminister, Serbien strebt eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union an, hat aber gleichzeitig enge Beziehungen zu Russland. Ist Ihre Situation mit der der Ukraine vergleichbar?

Anders als die Ukraine haben wir uns nie in einem Dilemma befunden. Die EU-Mitgliedschaft ist eines unserer wichtigsten strategischen Ziele, das wir klar formuliert haben. Russland hat das immer akzeptiert. Wir waren aber auch nie Teil der Sowjetunion.

Russland hat aber doch große wirtschaftliche Interessen in Serbien ...
Russland hat nie Druck auf uns ausgeübt, denn wir haben immer deutlich gemacht, dass die EU-Mitgliedschaft unsere Freundschaft zu Moskau nicht beeinträchtigen wird.

Auch in der Frage territorialer Autonomiebestrebungen gibt es Parallelen zwischen der Ukraine und Serbien. Wie beurteilen Sie die Unabhängigkeitsbestrebungen von Teilen der Ukraine?
Mit den Vorgängen im Kosovo und durch die Art und Weise der Unabhängigkeitserklärung Pristinas – ohne Zustimmung des Staates, zu dem das Kosovo gehört –, ist eine Büchse der Pandora geöffnet worden. Es gibt viele potenzielle Szenarien dieser Art in der Welt. Die Situation auf der Krim ist nur eines davon. Solche komplizierten Konflikte können nur im Dialog gelöst werden. Im Fall des Kosovo meiden derzeit alle Beteiligten das Status-Thema. Aber die Zeit wird kommen, wenn es wieder auf der Tagesordnung stehen wird. Die Anerkennung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Pristinas ist für uns nicht hinnehmbar. Wir streben eine Lösung an, die für beide Seiten akzeptabel ist.

Russland war Ihr wichtigster Unterstützer in dieser Frage im UN-Sicherheitsrat. Im Ukraine-Konflikt argumentiert Moskau nun ganz anders, indem es die territoriale Integrität des Landes infrage stellt. Was bedeutet das für den Streit um das Kosovo?
Großmächte können sich nun einmal den Luxus erlauben, ihre Positionen zu ändern – das machen die USA nicht anders. Ich hätte mir gewünscht, dass alle westlichen Staaten unsere territoriale Integrität genauso verteidigt hätten wie die der Ukraine. Aber ich schaue nicht in die Vergangenheit. Ich möchte nur betonen, dass niemand von doppelten Standards profitiert. Deshalb hoffen wir, dass in der Ukraine bald Frieden herrschen und ein Dialog über die strittigen Fragen angestoßen wird. Wir selbst respektieren die territoriale Integrität der Ukraine.

Warum hat sich Serbien dann nicht den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen?
Uns warnt man, kein Obst mehr nach Russland zu exportieren, während Frankreich ganz selbstverständlich Kriegsschiffe dorthin ausliefert. Wir sind ein kleines Land, gut, aber man sollte unsere Interessen nicht einfach ignorieren. Serbien soll seine Außenpolitik an der EU-Außenpolitik ausrichten. Konkret sieht das so aus, dass wir eine E-Mail aus Brüssel erhalten und innerhalb von einer Stunde unsere Zustimmung zu einer bestimmten Frage geben sollen. Natürlich wissen wir, was unsere Hausaufgaben sind, aber wir möchten gern in den Entscheidungsfindungsprozess einbezogen werden. Doch dazu lädt uns niemand ein.

Hat Ihre Haltung bei den Sanktionen auch etwas damit zu tun, dass Russland massiv auf dem Balkan investiert?
Auch dafür werden wir mitunter kritisiert. Ich kann dazu nur sagen, wo sind denn die Investoren aus westlichen Ländern auf dem Balkan? Warum kommen sie nicht? Selbst die Türkei ist präsenter als alle westlichen Länder zusammen. Deshalb sind wir dankbar, dass auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Donnerstag in Berlin eine Wirtschaftskonferenz mit den Staaten des westlichen Balkans stattfindet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false