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Politik: Sicherheitskonferenz: Vor allem Nebenschauplätze

Der Sonntag begann mit verwundertem Augenreiben: Ist das wirklich die gleiche Veranstaltung? Am Sonnabend war die Münchner Sicherheitskonferenz eine Bühne für zwei Botschaften gewesen.

Der Sonntag begann mit verwundertem Augenreiben: Ist das wirklich die gleiche Veranstaltung? Am Sonnabend war die Münchner Sicherheitskonferenz eine Bühne für zwei Botschaften gewesen. Mit selbstbewussten Auftritten machten die Amerikaner, voran Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz und der einflussreiche Senator John McCain, zum einen klar: Wir werden den Krieg gegen den internationalen Terrorismus konsequent weiterführen, schließen auch präventive Militärschläge gegen Länder, die Anschläge mit Massenvernichtungswaffen vorbereiten, nicht aus.

Zum anderen standen die Europäer unter Anklage und schlugen sich zerknirscht an die eigene Brust: Europas Verteidigungsanstrengungen reichen nicht aus, um mit Amerika Schritt zu halten und Partner zu sein. Die technische und die finanzielle Lücke wird immer größer, bald werde man nicht mehr zu gemeinsamen integrierten Operationen fähig sein. Amerika braucht die Nato nicht mehr, hat den Krieg in Afghanistan im Wesentlichen allein geführt und wäre auch für eine Aktion gegen Saddam Husseins Irak nicht auf Alliierte angewiesen.

Ganz anders der Sonntag. Die Europäer waren es, die klagten. Auch die USA müssten sich bewegen, um die Interoperabilität zu erhalten, also die Fähigkeit zu gemeinsamen Einsätzen. Amerikas Bereitschaft zum Technologie-Transfer sei gefragt, zu gemeinsamen Rüstungsprojekten der Militärindustrien, forderten Robertson und Verteidigungsminister Scharping. Es liege nicht in Amerikas Interesse, in ernsten Krisen nur noch eine Wahl zu haben: allein zu handeln - oder gar nicht, argumentierte Robertson. Kein Land könne allein Sicherheit und Stabilität weltweit garantieren, dazu brauche man Partner, sekundierte Scharping.

Als dann auch noch der liberale Senator Joseph Lieberman Europas Solidarität lobte und sich gegen amerikanischen Unilateralismus stellte, war klar: Das Auseinanderfallen der beiden Tage hatte auch mit der Rednerliste zu tun. Am Sonnabend hielten Amerikas Konservative und Europas Bürgerliche, darunter Edmund Stoiber und Angela Merkel, die Referate. Am Sonntag erinnerten Robertson, Scharping und Russlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow daran, was andere Staaten zum Anti-Terror-Kampf beitragen. Der beschränkt sich nicht auf militärische Interventionen. Sicherheitsprobleme kann man auch mit Mitteln der Diplomatie oder der Wirtschaft angehen.

Wächst also die Kluft in der Wahrnehmung der Weltlage auf beiden Seiten des Atlantiks? Diesen Eindruck kann man nach der Wehrkundetagung haben. Er hing aber auch damit zusammen, dass Amerikaner und Europäer oft aneinander vorbeiredeten. Den Hauptfragen wichen sie aus, was viel Platz für Spekulationen ließ: Was ist die Zukunft der Nato, die im Kampf gegen Terror bisher keine militärische Rolle spielte, sich aber beim Gipfel in Prag auf rund 25 Mitglieder erweitern will? Wie kann sie da militärisch effektiv bleiben? Wie ernst ist die Drohung gegen Staaten zu nehmen, die für George W. Bush zur "Achse des Bösen" gehören? Aber vielleicht liegt das ja daran, dass ein Angriff gegen Irak nicht unmittelbar bevorsteht, aber keiner den Druck von Saddam Hussein nehmen möchte, bei der Rüstungskontrolle zu kooperieren? Also vermied man es in München, offen über Nutzen und Risiken eines neuen Feldzugs zu streiten.

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