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Politik: "Sie haben es Clinton heimgezahlt" - das Abkommen wurde in den USA zum parteipolitischen Spielball

"Die ganze Welt schaut auf uns", hatte Demokrat Joseph Biden vor der entscheidenden Abstimmung am Mittwoch seine republikanischen Senatskollegen noch einmal beschworen. Es half alles nichts, auch nicht die öffentliche Schützenhilfe durch das europäische Spitzentrio Gerhard Schröder, Tony Blair und Jacques Chirac in der "New York Times".

"Die ganze Welt schaut auf uns", hatte Demokrat Joseph Biden vor der entscheidenden Abstimmung am Mittwoch seine republikanischen Senatskollegen noch einmal beschworen. Es half alles nichts, auch nicht die öffentliche Schützenhilfe durch das europäische Spitzentrio Gerhard Schröder, Tony Blair und Jacques Chirac in der "New York Times". Nach einwöchiger verbaler Schlacht um den Atomteststopp-Vertrag bescherte die kleine Kammer des Kongresses Präsident Bill Clinton eine der bittersten Niederlagen seiner Amtszeit.

Für die Weltmacht USA hatte Clinton 1996 mit großen Fanfaren als erster die Unterschrift unter den Text des Abkommens gesetzt, und danach erklärte er die Ratifizierung zu einem seiner wichtigsten politischen Ziele. Am Ende waren Clintons Demokraten im Senat nicht nur weit von der erforderlichen Mehrheit von 67 Stimmen entfernt. Es fand sich nicht einmal eine einfache Mehrheit für den seinerzeit als bahnbrechend gefeierten Vertrag. Eine doppelte Schmach - aber das nicht nur für den Präsidenten, wie viele politische Kommentatoren in den USA bemerken: In diesem Streit gibt es keine Sieger, es haben alle verloren.

Tatsächlich ist selten zuvor ein Thema von derart großem außenpolitischen Gewicht so offenkundig zu einem parteipolitischen Spielball geworden wie der Atomteststopp-Vertrag. "Jeder versucht, die Sache für sich auszuschlachten", räumte auch Ben Scowcroft ein, der Sicherheitsberater des früheren republikanischen Präsidenten George Bush. "Das ist zurzeit die politische Situation in den USA." Die Situation - das ist ein republikanisch beherrschter Kongress, dessen Verhältnis zum Präsidenten nach dem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren wegen der Lewinsky-Affäre auf einen absoluten Tiefpunkt gesunken ist. "Sie (die Republikaner) haben in all den Jahren von Clintons Amtszeit keine wesentliche Schlacht mit dem Präsidenten gewonnen", resümierte der demokratische Minderheitsführer im Senat, Tom Daschle. Offenbar sei der Vertrag eine gute Gelegenheit gewesen, es Clinton heimzuzahlen, "ganz gleich, wie groß die internationalen Folgen sind".

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Republikaner werfen Clinton vor, die Ratifizierung mehr als zwei Jahre lang verschleppt zu haben. Im September sei die Sache dann plötzlich auf den Tisch gebracht worden, wohl um Clinton vor dem Ende der Amtszeit noch einen geschichtsträchtigen Erfolg sichern zu können. Sogar politische Freunde des Präsidenten räumen heute ein, dass das Weiße Haus nach 1996 nichts getan habe, um für den Vertrag zu werben.

Eine Fehlkalkulation: Die Republikaner setzten die Ratifizierung kurzfristig auf die Tagesordnung - wohl wissend, dass die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zu Stande kommen werde. Clinton hatte in einer einwöchigen Blitzkampagne noch zu retten versucht, was nicht mehr zu retten war. Auch der Putsch in Pakistan half dem Präsidenten nicht. Für die einen belegte er die Notwendigkeit eines bindenden Atomteststopps, für die anderen das Gegenteil - so hoffnungslos zementiert waren die parteipolitischen Fronten.

Gabriele Chwallek

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