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Sierra Leone: Die afrikanische Krankheit

Sierra Leone wählt – nach wie vor regiert die Korruption das bitterarme Land.

Die Vergangenheit hat Sierra Leone noch fest im Griff. Fünf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs verurteilte ein von den Vereinten Nationen (UN) unterstütztes Kriegsverbrechertribunal Mitte Juli drei Angeklagte zu Haftstrafen bis zu 50 Jahren. Anfang August sprachen die Richter zwei weitere regierungsnahe Milizenführer schuldig. Am Wochenende sollen die sechs Millionen Einwohner des bitterarmen westafrikanischen Landes nun über die Zukunft entscheiden – und zum zweiten Mal seit dem Ende des Bürgerkriegs einen Präsidenten und ein neues Parlament wählen. Auf den Schutz durch eine internationale Friedenstruppe, wie beim letzten Urnengang, können die Wähler dabei nicht mehr setzen.

Präsident Ahmad Tejan Kabbah tritt nach zwei Amtszeiten ab, ohne dass ein echter Nachfolger bereitstünde. Als Favorit gilt der 69-jährige Vizepräsident Solomon Berewa, seit Jahren die graue Eminenz im Land. Kritiker machen ihn deshalb auch für das Versagen des gegenwärtigen Regimes mitverantwortlich. Das Problem ist wie fast überall in Afrika: „Eine kleine Machtclique hält sich durch puren Nepotismus an der Macht und unternimmt praktisch nichts, um das Los der Bevölkerung zu verbessern“, schreibt der Afrikaexperte Martin Meredith.

Die Aufbauarbeit wird wie so oft vom Westen erwartet. Doch trotz massiver Finanzhilfe aus den Industriestaaten hat sich an den Missständen in dem früheren britischen Protektorat bisher wenig geändert. Noch immer sind vier von fünf Menschen ohne Arbeit. Über 70 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als einem Dollar am Tag. Zudem hat das Land, dem die UN vor einigen Jahren den niedrigsten Lebensstandard der Welt attestierte, die höchste Kindersterblichkeit. Auch die Korruption ist immer noch fest in der Gesellschaft verankert.

Die wenigen Reformen sind fast alle von Ausländern angestoßen worden. Armee und Polizei werden seit fünf Jahren von Großbritannien ausgebildet und sind ungleich professioneller als zur Zeit des Bürgerkriegs, als sie sich mit den Killern der Revolutionären Vereinigten Front (RUF) einen Kampf um die einträglichen Diamantenminen des Landes lieferten. Die Edelsteine, die früher auch den Krieg der Rebellen finanzierten, könnten nun eigentlich für mehr Jobs und höhere Steuereinnahmen sorgen, zumal sich die Einnahmen aus dem Verkauf verdoppelt haben. Doch insgesamt sind die Fortschritte gering. Immerhin ist die Aufarbeitung des Bürgerkriegs, der zwischen 1991 und 2002 in Sierra Leone und im Nachbarland Liberia tobte, mit den ersten Kriegsverbrecherurteilen vorangekommen. Im Mai 2000 hatte nur eine Intervention britischer Truppen verhindert, dass eine sadistische Kinderarmee unter dem inzwischen verstorbenen Rebellenführer Foday Sankoh die Macht übernahm. Die Schuldsprüche gegen die ersten Rebellen- und Milizenführer ließen nun hoffen, dass in Sierra Leone niemand mehr morden könne, ohne später dafür zur Verantwortung gezogen zu werden, so Amnesty International.

Ein weiterer Schritt auf diesem Weg ist der vor kurzem in Den Haag angelaufene Prozess gegen den liberianischen Ex-Diktator Charles Taylor. Ihm wird vorgeworfen, den Bürgerkrieg in Sierra Leone angezettelt, Milizen unterstützt und dafür Diamanten kassiert zu haben.

Heute könnte das benachbarte Liberia dagegen ein Vorbild für Sierra Leone sein. Die dortige Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf geht entschieden gegen die Korruption vor und hat bestechliche Staatsbeamte gefeuert. In Sierra Leone deutet dagegen vieles darauf hin, dass das Land trotz der Wahlen am Wochenende noch lange eines der Schlusslichter der internationalen Staatengemeinschaft sein wird.

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