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Der Streit um BND und NSA: Sigmar Gabriel beschädigt die Kanzlerin

In der Affäre um den BND und die NSA ist vieles aufzuklären - aber wie SPD-Chef Sigmar Gabriel jetzt an das Thema herangeht, wirkt es eher wie der Versuch, Angela Merkel zu beschädigen. Das wird sich die Kanzlerin merken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Und so geht allmählich zu Ende, was als große Koalition begann und sich mit großen Vorhaben getragen hat. Anders ist bald nicht mehr zu verstehen, wie sich der Vizekanzler gegenüber der Kanzlerin verhält. Es ist nur das jüngste Signal: Sigmar Gabriel gibt über Gespräche Aufschluss, die er mit Angela Merkel unter Ausschluss der Öffentlichkeit führt. Er gibt sie also preis, die Gespräche und Merkel. Wenn das jetzt die Strategie ist, dann eine der gezielten Entfremdung.

Ob das beim Wähler verfängt, ist aber noch lange nicht gesagt. Richtig, in der Affäre um den Bundesnachrichtendienst und den US-Geheimdienst NSA ist vieles aufzuklären. Auch die Rolle der Bundeskanzlerin. Wusste sie etwas von dieser Kooperation der merkwürdigen Art, oder wollte sie von all dem lieber nichts wissen? Oder weil sie dachte, das sei nicht ihres Amtes? Denn, nicht wahr, wozu hat man einen Kanzleramtschef, einen Staatssekretär, Abteilungsleiter, Gruppenleiter. Wenn die einem nichts sagen …

Nun, das ist schon auch zu klären, dringlich sogar. Aber dafür gibt es parlamentarische Möglichkeiten, es gibt Ausschüsse, Untersuchungen, Plenardebatten. Und es ist nicht so, dass da irgendetwas oder irgendwer ausgespart werden müsste. Das wäre falsch verstandene Rücksichtnahme, könnte man sagen. Aber zu Rücksicht neigt die Sozialdemokratie ja sowieso nie, nicht einmal gegenüber den eigenen Leuten.

So wirkt das Ganze nicht wie der Versuch, Merkel zu stellen, sondern wie der, sie mit der BND-Affäre zu kontaminieren. Dafür wären dann Regeln des Umgangs in einer Koalition deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden. In Regierungsbündnissen wie im richtigen Leben aber gilt, dass Verletzungen heilen können, Kränkungen nicht. Man muss schon auch mal offen miteinander reden können, ohne dass es direkt gegen einen verwendet wird. Einmal hat Gabriel bereits SMS der Kanzlerin in die Öffentlichkeit gebracht, jetzt ihre Antworten aus einem internen Gespräch – das wird sich Merkel merken. Und danach handeln. Was für die Zukunft nichts Gutes verheißt.

Die Kanzlerin, ohnehin bekanntermaßen das Gegenteil von vertrauensselig, wird die Vertrauensbasis verletzt sehen. Ein weiteres Mal. Das letzte Mal? Anders gesagt: In dieser Hinsicht wirkt der Vorrat an Gemeinsamkeiten nahezu aufgebraucht. Zumal kein Mensch verstehen kann, dass Gabriel nicht als Vizekanzler sprechen wollte, sondern als SPD-Vorsitzender im Willy-Brandt-Haus und vielleicht noch als Sachwalter der deutschen Wirtschaft (die sich allerdings wegen ihrer Sorgen über die Wirtschaftsspionage schon selbst geäußert hat).

Also, war es Strategie? Das ist sehr die Frage. Eher hat Gabriel situativ eine Chance zum Angriff gewittert und dann wie sein eigener Generalsekretär gehandelt. Weil er endlich, endlich die SPD voranbringen und sie aus dem 25-Prozent-Turm befreien will. Doch manches muss man sich in hohen Ämtern selbst versagen. Sonst versagt einem der Wähler den Erfolg. Der schätzt, wie unschwer zu erkennen ist, die Stetigkeit.

Man dachte, das hätte die SPD inzwischen begriffen. Zumal sie noch kein Thema für einen Wahlkampf glaubwürdig durchbuchstabiert hat. Und überhaupt, die Koalition könnte noch einiges Große zuwege bringen, bei Arbeit, Armut, Asyl, Bildung. Will sie? Und will die SPD? Auch das muss sie jetzt aufklären.

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