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Hitzig wird über die "K-Frage" spekuliert. Sigmar Gabriel, der Chef der SPD, konzentriert sich im Augenblick lieber auf Inhalte.

© DPA

Sigmar Gabriel: Steuern runter, Bildung rauf geht nicht

Der SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht in einer Rede über Stadtentwicklung und Steuern - und scheut nicht, auch die Finanzierung solcher Projekte anzusprechen.

Opposition ist Mist, hat  Franz Müntefering (SPD) einmal gesagt. Vermutlich weil es reale Arbeit an einem virtuellen Regierungsprogramm ist, zum Beispiel zur Bekämpfung der sozialen Spaltung  in den  Städten und der   Wohnungsnot. Außerdem dürfen die Ergebnisse selten auf der großen Bühne vorgetragen werden, die den Mächtigen vorbehalten ist sondern  stattdessen etwa bei Veranstaltungen parteinaher Stiftungen wie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dort unterzog sich SPD-Chef Sigmar Gabriel am Mittwoch der politischen Rosskur – und versagte sich dabei sogar den in Oppositionskreisen beliebten Taschenspielertrick: lautstark viel zu versprechen , über die Finanzierung aber still zu schweigen.

„Kein Mensch glaubt doch noch, dass man die Steuern senken kann und gleichzeitig in Bildung investieren kann“, sagte Gabriel. Bildung ist für den SPD-Chef Teil einer „ganzheitlich“ gedachten „Sozialen Stadtentwicklung“. Deren Ziele formuliert er so: Den Menschen eine „Heimat bieten, in der sie sich wohl fühlen“. Das eigene Quartier ist das, wo der Betreuer in der Kita den Zugang zu Bildung vorbereitet und wo die Kiezinitiativen bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt helfen. Das ist in Neukölln so und auch in Dortmund. Aber diese Netzwerke kosten und zahlen sich erst später aus: Weil die Menschen nicht erst „am Ende“ gestützt werden, wenn sie in der Schule scheitern oder die Wohnung verloren haben.

Deshalb sei es bisher „Konsens“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen gewesen,  diese kommunalen Netzwerke zu finanzieren. Doch  diesen Konsens habe das CSU-geführte Stadtentwicklungsministerium aufgekündigt durch  „drastische Kürzungen“ der Programme zur Förderung der „sozialen Stadt“.  Zurücknehmen will Gabriel  diese Kürzungen und deren Finanzierung sogar auf 700 Millionen Euro anheben – Steuererhöhungen sollen das dazu nötige Geld einbringen.

„Alles in Maßen“ beschwichtigte Gabriel aber zugleich die Wirkung dieses so lässig ausgesprochenen aber doch bösen Wortes. Dabei ist der Linksruck der SPD deutlich: Die rund vier Milliarden Euro, die den  Kommunen zum Kampf gegen Gentrifizierung und für die Integration fehlen, sollen durch eine Umverteilung von oben nach unten mobilisiert werden: Wer mehr als 100000 Euro verdient soll mit einem Spitzensteuersatz von 49 Prozent belegt werden, statt 42 bisher. Auch die Vermögenssteuer ist wieder ein Thema. Wobei sich Gabriel auf die christdemokratischen Gründungsväter der Republik beruft, Konrad Adenauer oder Ludwig Erhard müssten die Einführung dieser „ersten Steuer“ wohl unterschrieben haben – linkes Teufelszeug sei das jedenfalls nicht. Und ja, auch die Kapitalsteuer müsse dazu erhöht werden.

Dass das Land Berlin mit seinem Mietenbündnis die eigenen Wohnungsbaugesellschaften zur Sicherung günstigen Wohnraums in die Pflicht nimmt, nannte Gabriel „einen Beitrag“. Ausreichend ist das aus seiner Sicht nicht, denn insgesamt sei die „soziale Ausgeglichenheit auf dem Wohnungsmarkt infrage gestellt“. Neue Mieter zahlten für eine frei gewordene Wohnung zehn bis 30 Prozent mehr als ihre Nachbarn mit  bestehenden Verträgen. „Die Neuvertragsmieten sind aber die Bestandmieten von morgen“, so Gabriel – dieser Mietpreisspirale müsse der Bund ein „soziales Mietrecht“ entgegen setzen, das den Namen verdient.

Für steigende Mieten sorge auch die Umlage von Kosten einer energetischen Sanierung auf die Mieter. Die Höhe der umlagefähigen Kosten müsse deshalb gesenkt werden – und zeitlich befristet, fordert Gabriel. Auf kostspielige „Vollsanierungen“ sei möglichst zu verzichten –  lieber die Zahl energetischer Sanierungen zu überschaubaren Kosten erhöhen.

Und noch einen Seitenhieb auf die aus SPD-Sicht unkoordinierte schwarz-gelbe Bildungs- und Sozialpolitik erlaubte sich Gabriel: „Wie verrückt muss man sein“, fragte er, 150 Euro dafür auszuzahlen, „dass Kinder nicht in die Kita gebracht werden“. Jahrelang habe es in den Quartieren gebraucht, Migranten davon zu überzeugen, ihre Kinder frühzeitig in die Kitas zu bringen, damit sie  ihr Sprachvermögen stärken und sich frühzeitig in die Stadtgesellschaft integrieren. All’ das werde mit einem Handstreich zerstört.

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