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Sigmar Gabriel sieht keine grundlegende Wende in der Energiepolitik der Regierung.

© dpa

SPD-Chef: Sigmar Gabriel: "Völlig veraltete Sicherheit"

SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über das Energiekonzept der Regierung.

Glauben Sie, dass nach Ende des von der Kanzlerin ausgerufenen Laufzeit-Moratoriums das Energiekonzept korrigiert wird?

In ihrem „Herbst der Entscheidungen“ hat Angela Merkel behauptet, die deutschen Atomkraftwerke seien sicher und würden gebraucht, weil sonst die Stromversorgung gefährdet sei. Jetzt stellen wir fest: Frau Merkel scheint auch nicht überzeugt zu sein, dass die Atomkraftwerke sicher sind. Und eine Versorgungslücke haben wir offenbar auch nicht, sonst könnten die alten Akw ja nicht für drei Monate vom Netz gehen. Angela Merkel hat die Öffentlichkeit getäuscht. In Wahrheit versucht sie mit einem leicht zu durchschauenden Wahlkampftrick über die Landtagswahlen zu kommen.

Sie waren vor gar nicht so langer Zeit die oberste Atomaufsicht in Deutschland. Können 17 oder auch nur sieben Atomkraftwerke in drei Monaten auf ihren Sicherheitszustand überprüft werden?

Ich fürchte, diese angebliche Sicherheitsprüfung wird eine Farce. Die Frage ist doch, auf welcher Grundlage wird die Sicherheit überprüft? Und da ist der Kanzlerin und Umweltminister Norbert Röttgen der schwerste Vorwurf zu machen. Ich habe als Umweltminister 2009 ein neues kerntechnisches Regelwerk eingeführt – einen Maßstab für die Sicherheit von Atomkraftwerken auf dem Stand von Wissenschaft und Technik. Aber Herr Röttgen hat dieses Kerntechnische Regelwerk auf Druck der Atomlobby außer Kraft gesetzt. Er arbeitet auf der Grundlage von mehr als 30 Jahre alten Sicherheitsanforderungen. Die Kraftwerke, über die wir jetzt reden, hätten eigentlich längst abgeschaltet werden müssen, weil ihre Sicherheitstechnik nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Man kann sie auch nicht nachrüsten.

Ist Atomenergie verantwortbar?

Atomenergie setzt auf zwei Dinge: die Fehlerlosigkeit von Technik und die Fehlerlosigkeit von Menschen. Beides muss zusammenkommen. Das ist aber eine Annahme, die nicht dauerhaft gewährleistet werden kann. Technik macht Probleme, und Menschen machen Fehler. Bei der Atomenergie kann daraus ein gigantischer Schaden folgen. Wir stehen fassungslos vor der Not der Menschen in Japan. Da kann man nur Hilfe anbieten. Und die ist eben sehr begrenzt.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

Sigmar Gabriel (51) ist Vorsitzender der SPD. Von 2005 bis 2009 war er Bundesumweltminister und damit Chef der Atomaufsicht. Damals war er noch Koalitionspartner der Kanzlerin.

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