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Politik: So könnte Politik aussehen Von Tissy Bruns

Nichts ist in der Politik erfolgreicher als der Erfolg? Von wegen.

Nichts ist in der Politik erfolgreicher als der Erfolg? Von wegen. Sie hat gerade eine handfeste, ja, die entscheidende Niederlage eingesteckt: Gesine Schwan, die derzeit beliebteste Politikerin. Die seit dem letzten Sonntag schon keine mehr ist. Sondern Hochschulprofessorin in Frankfurt an der Oder, gescheit genug, sich keine Pseudo Ämter nachwerfen zu lassen für ihren erfolgreichen Blitzaufstieg an den deutschen Politiker-Himmel.

Die Leute, die der Politik nichts zutrauen und in Politiker kein Vertrauen mehr setzen, diese Leute mögen Schwan. Sie beherrscht von Berufs wegen die Kunst, die vielen Politikern längst abhanden gekommen ist: Sie redet, um zu überzeugen. Ihr Lachen ist in vier Wochen so legendär geworden wie ihr Lockenkopf; ihr gelingt traumwandlerisch, was in anderen Fällen ganzen Stäben von PR- und sonstigen Beratern schief geht: die öffentliche Inszenierung ihrer Person. Was selten gelingt, hier stimmte es: Weder überdeckte die Politikerin die Person, noch wurde das Persönliche zum Ersatzstoff, weil es an Sachverstand oder politischen Fingerspitzengefühl fehlte. Kurzum: Hier stand ein Mensch aus Fleisch und Blut auf der Bühne der Politik.

Doch richtig heftig schlagen die Funken, weil die Leute sie nicht nur mögen. Sondern weil sie Gesine Schwan unbedingt mögen wollen. Die Politologin lebt vom Kontrast zum üblichen Spitzenpersonal. Die führenden Politiker sind so abgeschliffen von endlosen Kompromiss- und Konsensschlachten, vom Stellungskrieg um einige Millimeter Bewegung, dass sie nicht mehr taugen als Projektionsfläche für Hoffnungen, die den schnöden Alltag in eine bessere Zukunft verlängern könnten. Im lebhaften Interesse für das neue Gesicht der Kandidatin Schwan leben enttäuschte Wünsche auf, die im verdrießlichen Deutschland fast begraben schienen: Wünsche nach Vertrauen, nach Identifikation mit denen, die im Land zu entscheiden haben und mächtig sind. Die Beliebtheit von Schwan ist die Kehrseite des tiefen Frusts über die deutschen Eliten in Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft, Kultur.

Dabei wissen alle ganz gut, dass es nur ein frommer Wunsch ist, der sich auf Gesine Schwan richtet. Wir wissen, dass sie so anziehend nur sein kann, weil sie die Endlosschlachten nicht schlagen muss. Weil sie ein im besten Sinne politischer Mensch ist, aber keine Politikerin. Weil ein politischer Mensch Nein sagen und fortgehen kann, wenn seine Überzeugungen sich nicht durchsetzen lassen, ein Politiker aber immer wieder von vorn anfangen muss. Und seine Überzeugungen in irgendein praktisches Verhältnis zu dem bringen muss, was durchsetzbar und mehrheitsfähig ist.

Man könnte sagen: Für ein paar Wochen hat Gesine Schwan die Rolle ausgefüllt, die sonst nur Demokratien mit Königen oder Prinzessinnen zur Verfügung stehen. Das wäre traurig und kalt. Denn in den Projektionen und Wünschen, die Schwans Bewerbung ausgelöst hat, zeigt sich eben auch, dass die Bürger sich nicht abfinden wollen mit Politikern, deren wichtigstes Argument der pragmatische Verweis auf das Machbare ist. Eine Kandidatin wird bewundert: Das heißt doch wohl, dass viele Menschen „das Politische“ nicht abgeschrieben haben. Es ist ihnen nur zu fad.

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