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Politik: So reich und doch so arm

In Bremen leben überdurchschnittlich viele Gutverdienende – das Land aber bleibt trotz des strikten Sparkurses hoch verschuldet

Man glaubt es kaum, aber EU-Statistiker haben es errechnet: Das Land Bremen mit seinen 660 000 Einwohnern ist die reichste Region Deutschlands und die achtreichste Europas. Offenbar leben hier außer 60 000 Sozialhilfebeziehern auch besonders viele Wohlhabende. Dem Reichtum einiger Bürger steht die Armut des Staates gegenüber: Bremen ist seit Jahren das Bundesland mit der höchsten Verschuldung pro Einwohner, derzeit fast 15 000 Euro.

Die Finanznot hat viele Ursachen. Der aus Bremen und Bremerhaven bestehende Zwei-Städte-Staat hat früher ohne Frage über seine Verhältnisse gelebt. Dann kam die Werftenkrise, die vergeblich mit Subventionen bekämpft wurde und Tausende von Arbeitsplätzen vernichtete. Das kleinste Bundesland leidet aber auch unter dem Steuersystem. 40 Prozent der Bremer Arbeitsplätze werden von Pendlern belegt; damit kommen deren Steuern ihren Wohnorten zu Gute, aber nicht der Hansestadt – obwohl die Bewohner aus dem Umland auch die Bremer Straßen, Busse, Theater und Kliniken mit nutzen. Dies wird durch den Länderfinanzausgleich nicht ausreichend ausgeglichen. Auch deshalb gelang es Bremen, beim Bundesverfassungsgericht die Zahlung besonderer Sanierungsbeihilfen zu erstreiten: von 1994 bis 2004 rund 8,5 Milliarden Euro.

Während das ebenfalls geförderte Saarland mit den Sonderbeihilfen überwiegend Schulden tilgt, nutzt Bremen die Gelder vor allem, um die Wirtschaft anzukurbeln – zum Beispiel für neue Gewerbegebiete, für die Verbesserung der Infrastruktur der Unternehmen, für den Ausbau des Containerhafens in Bremerhaven oder für die Anschubförderung einer international ausgerichteten Privatuniversität, in deren Umfeld neue Betriebe entstehen sollen.

Viele Investitionen erwiesen sich als sinnvoll, aber mehrfach landete die große Koalition auch große Flops, so wie beim mittlerweile pleite gegangenen neuen Musicaltheater oder bei der Förderung des überdimensionierten Freizeit- und Einkaufszentrums „Space Park“, das noch immer auf die Eröffnung wartet. Investieren ist der eine Teil der Bremer Sanierungsstrategie. Der andere heißt: „konsumtive“ Ausgaben kürzen. Alles, was laufende Kosten verursacht und nicht unmittelbar die Wirtschaft fördert, wird beschnitten, auch wenn dabei die Schmerzgrenze für die Bürger überschritten wird. Die meisten Freibäder sollen schließen; das Netz der Bibliotheken schrumpft; das Blindengeld wird gestrichen; die Aids-Hilfe erhält keine Zuschüsse mehr; neue Stadt-Angestellte müssen ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld auskommen. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) lobt diesen Kurs: „Wir sind bundesweit mit deutlichem Abstand absoluter Tabellenführer beim Sparen.“ Eine weitere Sanierungsmethode: Viele Staatsaufgaben werden auf ausgegliederte Gesellschaften übertragen. Mittlerweile gibt es mehr als 200 davon. Ein schwer durchschaubares Firmenknäuel, bei dem nicht erwiesen ist, dass es wirklich Kosten spart, zumal schon die Gehälter der gut dotierten Geschäftsführer enorme Summen verschlingen.

Immerhin zeigt die Doppelstrategie des Investierens und Sparen kleine Erfolge: Das Bremer Wirtschaftswachstum liegt inzwischen über dem Bundesschnitt. Aber eine echte Wende ist nicht in Sicht. Zwischen eigenen Einnahmen und laufenden Ausgaben klafft immer noch eine 650-Millionen-Lücke. Deshalb setzt die Hansestadt auf weitere Unterstützung vom Bund. Vor drei Jahren hatte die rot-schwarze Koalition die rot-grüne Steuerreform gebilligt und als Belohnung das Versprechen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erhalten, dass die Steuerreform kein erneutes Abgleiten Bremens in eine extreme Haushaltsnotlage bewirken dürfe. Der Senat interpretierte dies als Zusage, dass der Bund alle durch die Reform entstehenden Mindereinnahmen ausgleicht – fast 500 Millionen Euro pro Jahr.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) aber will von solchen Summen bisher nichts wissen. Jetzt möchte Bremens neuer parteiloser Finanzsenator Ulrich Nußbaum mit ihm darüber verhandeln. Der SPD-nahe bisherige Unternehmer hegt allerdings keine übertriebenen Hoffnungen. In einem Interview mit der „Welt“ sagte er: „Ich warne davor, den Kanzlerbrief als bloßen Scheck zu definieren, den man mit einem festen Betrag bei der Bundesbank einlösen kann.“

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