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Verkohlt. Szene nach einem Waldbrand im Harz bei Schierke.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Mehr und größere Brände: So viel Wald verbrannt wie seit 100 Jahren nicht

Feuerwehr und Waldbesitzer fordern mehr Geld für die Vorbeugung. Ein Viertel des deutschen Waldes ist geschwächt oder zerstört.

Der deutsche Wald verschwindet. In diesem Jahr sind bereits 4300 Hektar Wald Bränden zum Opfer gefallen, so viel wie nie in den letzten hundert Jahren. 2022 sei das Jahr der „Rekordwaldbrände“, sagt der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse. Viele sehr große Brände hätten lange Einsätze der Feuerwehr erfordert und viel Personal gebunden, lautet die Bilanz deutschen Feuerwehren und des Waldeigentümerverbandes. Hier liege der Unterschied zu vorangegangenen Jahren.

Andreas Bitter, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) sagte, sein Verband schätze „allein den Holzverlust auf 30 bis 40 Millionen Euro“. Der gesamte Schaden liege bei etwa 600 Millionen. Bitter sprach von einer „Fortsetzung des Szenarios seit 2018“. Am Anfang habe es Stürme und Trockenheit gegeben, dann kam der Borkenkäfer. Jetzt vernichteten Brände die geschwächten Wälder.

Auch Parken abseits der Waldwege kann Brände auslösen

Nach wissenschaftlichen Analysen müssten in den nächsten 30 Jahren „bis zu 60 Prozent der Fichten- und etwa 35 Prozent der Buchenflächen“ ersetzt oder mit resistenten und anderen Bäumen durchmischt werden, so Bitter, um abgebrannte Flächen wiederaufzuforsten und widerstandsfähiger zu machen. Das sei „ein Viertel der deutschen Waldfläche“.

Politische Forderungen zum Klimaschutz erhoben Feuerwehr und Waldbesitzer bei ihrem gemeinsamen Auftritt nicht. Feuerwehr-Präsident Banse forderte mehr Aufklärung zum Schutz des Waldes – immerhin 90 Prozent der Brände gingen auf menschliches Fehlverhalten zurück. Willentliche Brandstiftung sei nur ein Teil, aber Zigarettenkippen würden auf Autostrecken im Wald aus dem Fenster geschnipst, Lagerfeuer trotz Verbots vor malerischer Waldkulisse entzündet. Verrottende Munition in Wäldern sei ebenfalls eine Gefahr, sagte er - im Berliner Grunewald hatte erst kürzlich explorierende Munition auf einem Sprengplatz der Polizei einen Großbrand ausgelöst.

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Auch das Auto auf trockenem Waldboden etwas abseits der Fahrbahn zu parken, könne Waldbrände auslösen, wenn ein heißer Katalysator auf vertrocknete Vegetation treffe. „Man muss den Menschen wieder beibringen, wie sie sich zu verhalten haben“, sagte Banse. Man wolle aber außer im konkreten Gefahrenfall nicht, dass Menschen verboten werde, in den Wald zu kommen, betonten beide. Gerade die Spitzenzeiten der Pandemie, als die Wälder besonders stark besucht wurden, hätten gezeigt, wie wichtig der Wald für Menschen sei.

Verband: Mehr Pflege kostet eine halbe Millarde pro Jahr

Beide Verbände forderten mehr Geld. Präventive Waldpflege koste, ebenso wie neue Technik für die Feuerwehren. Totholz müsse vermehrt aus den Wäldern transportiert werden, weil es – nicht immer, aber in vielen Fällen – Waldbränden Nahrung verschaffe und Einsätzen im Wege stehe. Damit Zufahrtschneisen nicht zuwucherten, müsse regelmäßiger geschnitten und kontrolliert werden, was zusätzlichen Aufwand für die Waldbesitzer:innen bedeute. Die notwendige „kontinuierliche Betreuung der Wälder“ werde Eigentümer mit etwa einer halben Milliarde Euro pro Jahr in den kommenden 30 Jahren belasten, sagte Bitter.

Von der starken Nachfrage etwa der Bauindustrie nach Holz profitierten die Sägewerke. Das Geschäftsmodell der Forstwirtschaft gehe "aber den Bach runter". Es sei daher „vollkommen klar“, dass den Mehraufwand von Brandprävention, Waldpflege und -umbau die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer „nicht allein stemmen können“. Da Wald Biodiversität, Wasser - und Bodenschutz bedeutet, sei es „ auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, alles zu tun, dass unsere Wäler stabilisiert werden“.

Feuerwehrverbandschef Banse forderte leichtere Fahrzeuge, damit die Feuerwehren sich besser auf Waldboden bewegen könnten. Außerdem brauche es deutlich mehr Flugzeuge, um Brände von oben beobachten und die Einsätze dirigieren zu können.

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