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Politik: So viel zur Welt

Von Moritz Döbler

Wenn die acht mächtigsten Regierungschefs der Welt heute im schottischen Schloss Gleneagles zusammenkommen, ist ihre Arbeit schon getan. Dafür haben Berater und Minister in monatelanger Kleinarbeit gesorgt. Afrikas Entschuldung ist beschlossene Sache, es wird mehr Entwicklungshilfe fließen. Die Zahlen werden ebenso imposant wie schwer nachzurechnen sein. Auch auf eine Protokollnotiz zum Klimaschutz hat man sich weitgehend geeinigt. Das Wort Kyoto darf wahrscheinlich sogar vorkommen, konkreten Zielen verweigern sich die USA weiterhin.

Der G8-Gipfel wird also mit viel Brimborium wenig Neues präsentieren. Dennoch produziert er viel mehr als Spesen. G8, das ist zwar nicht mehr ein schlips- und zwangloses Treffen, wie es Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt initiiert hatten. Aber G8 ist eine Projektionsfläche für die Welt geworden. Über Jahre haben die Globalisierungsgegner mobil gemacht, jetzt werden manche ihrer Ideen Wirklichkeit. „Live 8“ von Bob Geldof nahm G8 als Bezugspunkt, Milliarden schauten zu. Popstar Bono kam am Wochenende zum Schlusstreffen der „Sherpas“ – das sind die G-8-Berater der Regierungschefs –, und fand offene Ohren. UN-Generalsekretär Kofi Annan wird in Gleneagles erwartet, afrikanische Länder sind eingeladen, dazu China, Indien, Brasilien und Mexiko.

So wenig am Ende neu ist, so sinnvoll sind solche Prozesse. Ob allerdings die Zeit reif dafür ist, die G-8-Gruppe zu erweitern, bleibt fraglich. Zwar möchte China lieber heute als morgen Vollmitglied sein, es sprechen auch die schiere Größe des Landes und seine dynamische Entwicklung dafür. Aber die Integration Russlands in den erlauchten Kreis verläuft schon schleppend genug. Russland übernimmt im nächsten Jahr den Vorsitz, ist allerdings bis heute bei manchen Vorbereitungstreffen nicht erwünscht. Und vielleicht ist es auch grundsätzlich falsch, an neue Mitglieder zu denken. Heute G9 mit China, morgen G10 mit Indien – übermorgen ist man schon fast bei G20. Dieses Format gibt es schon, in ihm sind China, Indien und Brasilien vertreten.

Die Frage, wie zeitgemäß G8 in Zeiten der Globalisierung ist, sollte nicht mit Strukturen, sondern mit Inhalten beantwortet werden. Dafür ist Gleneagles ein gutes Beispiel. Tony Blair, der Gastgeber, hat Afrika und Klimaschutz gegen viele Widerstände auf die Tagesordnung gesetzt, wenn ihm auch gerne unterstellt wird, er habe dies wegen der britischen Wahlen getan. Nicht nur aus der deutschen Delegation ist murrend zu hören, dass ein Weltwirtschaftsgipfel sich doch vor allem mit Wirtschaft zu befassen habe, zum Beispiel den steigenden Ölpreisen. Nun wird er das erstens tun; so folgenlos der Ruf nach mehr Markttransparenz und weniger Spekulation auch bleiben dürfte. Zweitens muss man anerkennen, dass Blair seine Reizthemen nach erfolgreicher Wiederwahl nicht einfach fallen ließ. Es gibt ja auch Erörterungsbedarf, zum Beispiel, ob Afrika wirklich immer mehr Geld aus dem Westen benötigt oder Handelserleichterungen nicht besser wären.

Eine zeitgemäße Agenda für den Weltwirtschaftsgipfel – diese Aufgabe fällt schon bald der Bundesregierung zu: Deutschland übernimmt den G-8-Vorsitz 2007, der Gipfel findet im Ostseebad Heiligendamm statt. Den Smalltalk beim Abendessen mit der Queen heute Abend kann Gerhard Schröder nutzen, erste Ideen zu erörtern. Aber Angela Merkel sollte sich auch schon ein paar Gedanken machen. Schaden kann das nie.

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