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Politik: So viel zur Würde

Von Cordula Eubel

Was ist heute sozial? Alles, was Arbeit schafft, sagt die Union. Aber in Würde muss die Arbeit sein, mahnt die stellvertretende DGBChefin Ursula Engelen-Kefer. Beides stimmt. Und zeigt die Gratwanderung in der Sozialpolitik, die alle Parteien in diesem Wahlkampf gehen.

Da ist zum einen die Analyse, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Die umlagefinanzierten Sozialsysteme, die an das normale Arbeitsverhältnis anknüpfen, stoßen an ihre Grenzen. Eine alternde Bevölkerung, eine veränderte Arbeitswelt und der Wettbewerbsdruck in einer globalisierten Welt führen dazu, dass die Einnahmen in den Sozialsystemen nicht wie in der Vergangenheit stetig wachsen.

Da ist zum anderen der Zusammenhalt in der Gesellschaft, der nicht gefährdet werden darf. Die Politik kann Sozialreformen in der Bevölkerung nur dann durchsetzen, wenn die Menschen den Eindruck haben, dass ihre Würde auch in einem veränderten Sozialstaat bewahrt wird. Wie schwer das ist, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder in den vergangenen zwei Jahren mit seiner Agenda 2010 schmerzlich erfahren müssen.

Dazwischen liegt der Grat, auf dem die Parteien ihren Weg suchen. In der Diagnose sind sich alle einig – bis auf die Nostalgiker der neuen Linkspartei. Auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt versuchen auch alle zu achten – ausgenommen vielleicht die Radikalreformer der FDP.

Auch wenn im Wahlkampf die Unterschiede aufgebauscht werden, sind die Rezepte in der Sozialpolitik nicht so verschieden. SPD und Grüne werben für die Bürgerversicherung, die Union für die Kopfpauschale im Gesundheitswesen. Sie alle setzen darauf, dass Arbeit günstiger wird und so hoffentlich mehr Beschäftigung entsteht. Die einen wollen mit der Bürgerversicherung die Einnahmebasis erweitern, die anderen mit der Pauschale mehr Steuergelder ins Gesundheitswesen lenken.

Beim Thema Rente sind sich alle einig, dass die Menschen künftig stärker privat fürs Alter vorsorgen müssen. Die Grundlagen wurden dafür mit den rot-grünen Reformen gelegt. Klar ist: Soziale Sicherung wird in Zukunft stärker aus unterschiedlichen Quellen finanziert – aus Beiträgen, Steuern, aber auch durch mehr private Vorsorge. Ein solcher Mix ist vernünftig, weil er für Stabilität sorgt.

Nicht nur inhaltlich sind die politischen Kontrahenten nicht so weit auseinander. Gemein ist ihnen auch die fehlende Ehrlichkeit. Alle Parteiprogramme sind unterfinanziert. Ein Beispiel: Die Union setzt in der Gesundheit auf die Kopfpauschale, die keinen Bezug mehr zum Einkommen hat. Woher die Steuergelder für den sozialen Ausgleich kommen sollen, lässt sie bewusst offen. Das würde schließlich bedeuten, höhere Spitzensteuersätze, einen Gesundheits–Soli oder aber eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer anzukündigen. Davor schrecken CDU und CSU zurück.

Gemeinsam bleiben die Parteien zu sehr bei der Frage stehen, wie die Sozialsysteme in Zukunft finanziert werden können. In der aktuellen wirtschaftlichen Situation ist das verständlich. Aber abseits der Zahlen, Finanzströme und Einschnitte gibt es vieles, was wir gerne erfahren würden. Wie lassen sich die Strukturen verändern, damit das Geld in den Sozialsystemen auch vernünftig eingesetzt wird? Wie wollen wir überhaupt in unserer alternden Gesellschaft leben? Wer das beantwortet, kann die Menschen leichter mitnehmen. Würde hat auch etwas mit Perspektive zu tun.

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