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Die Quote, mehr Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten - oder sogar das Einfrieren von Eizellen auf Kosten des Unternehmens: Wie lässt sich der Frauenanteil in Führungspositionen erhöhen?

© dpa

"Social Freezing": Die Frau von heute: Sklavin oder Asset?

Das "Eizellen-Gate" zeigt, dass es in der Gleichstellungspolitik immer seltener um Gerechtigkeit und immer häufiger um Geld geht - und dass die demographische Entwicklung eine große Chance ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Am Mittwoch haben sich rund einhundert Managerinnen, Wissenschaftlerinnen und Studentinnen mit Angela Merkel im Kanzleramt getroffen. Merkel nutzte die Frauenkonferenz, um noch einmal zu bekräftigen: „Es ist beschlossen, das Gesetz für die Quote kommt.“ Sie reagierte damit auf Stimmen aus der Union, die eine Frauenquote für Aufsichtsräte, die ab 2016 in Deutschland gelten soll, erneut infrage stellten.

Einen Tag später erreichte die Aufregung um „Eizellen-Gate“ das politische Deutschland. US-Medien hatten berichtet, dass Apple und Facebook ihren Mitarbeiterinnen im Rahmen von Bonuszahlungen das Einfrieren von Eizellen anbieten, um eine spätere Schwangerschaft zu ermöglichen. Gewerkschaften, Kirchen, Wissenschaftler, Mitglieder aller Bundestagsfraktionen, der Ethikrat und viele Sozialverbände, sie alle verdammten das Vorgehen der beiden US-Konzerne.

"Social Freezing" und die Quote betreffen nur sehr wenige Frauen - und sind trotzdem Aufregerthemen

Beide Debatten betreffen nur wenige Frauen in Deutschland. Nur etwa 300 Frauen ließen nach Angaben eines Verbands von Kinderwunschkliniken im Jahr 2013 Eizellen aus nicht medizinischen Gründen einfrieren. Die feste Frauenquote wird zunächst nur für die Aufsichtsräte von rund 100 großen Unternehmen gelten. Dennoch haben beide Debatten ihre Berechtigung. Sie stehen für das größere Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen. Bedeutend sind sie aber auch deshalb, weil sie zeigen, dass Gleichstellungspolitik zunehmend im Kontext von Wirtschaftspolitik diskutiert wird. Dabei geraten wichtige Prinzipien der Frauenbewegung aus dem Blick.

Der Kampf um die besten Arbeitskräfte wird immer entscheidender für die westlichen Volkswirtschaften. In vielen Ländern wächst die Bevölkerung nur langsam, stagniert oder schrumpft. Gleichzeitig werden gut ausgebildete Arbeitskräfte wichtiger, der Wettbewerb um diese Arbeitskräfte intensiver. Zumindest im Silicon Valley hat man erkannt: Ohne Frauen ist rasches Wachstum nicht möglich.

Die Linke hat ein Dilemma: Sie will die Gleichstellung, aber gleichzeitig das System bekämpfen

Die Debatte um das „Social Freezing“ zeigt, dass diese Entwicklung viele Linke vor eine schwierige Abwägung stellt. Einerseits ist eine stärkere Einbindung von Frauen in das Arbeitsleben eines der Kernziele der (linken) Frauenbewegung. Gleichzeitig wird das aggressive Vorgehen der Konzerne, für das auch die Eizellen-Bonusprogramme stehen, als Systemfehler des Kapitalismus kritisiert. In den USA schrieb die feministische Autorin Susan Faludi in „The Baffler“ schon vor dem Bekanntwerden von „Eizellen-Gate“: „Wir haben den Feminismus umdefiniert als das Recht der Frauen, zum Eigentum des Systems zu werden.“ Dass nun biologische Grenzen gesprengt werden sollen, passt in dieses Weltbild. Deutsche Linke äußerten sich in dieser Woche weniger pointiert, aber letztlich ähnlich. Jutta Allmendinger sprach von einem „arbeitgeberfreundlich-harten Modell“.

Quotenbefürworter lassen sich auf das Spiel ein: Gleichstellung wird als wirtschaftlicher Mehrwert verkauft

Die konservative Seite diskutiert Gleichstellungspolitik schon länger unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten. Das alte, wirtschaftsliberale Argument war stets: Gleichstellungspolitik ist eine Gefahr für die Wirtschaft. In diese Kerbe schlugen in dieser Woche angesichts schlechter Konjunkturprognosen erneut führende Unionspolitiker wie Michael Grosse-Brömer. Das Quotengesetz werde die Wirtschaft schwächen. Befürworter der Quote haben sich auf diese Argumentation eingelassen. Gleichstellung wird als geldwerter Vorteil verkauft. Gern werden Studien zitiert, die belegen sollen, dass „Diversity“ den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen mehrt.

Mit dem stärkeren demografischen Druck, Frauen in das Arbeitsleben einzubinden, ergibt sich aber auch ein wertkonservativer Argumentationsstrang. Auf dem Umweg über ein paternalistisches Beschützerdenken kommt hier das Natürlichkeitsargument ins Spiel. Die Wirtschaft fordere zu viel vom Menschen, über alle biologischen Grenzen hinaus. Eine ungebremste Marktwirtschaft, so die Argumentation, bringe Frauen dazu, ihre Eizellen einzufrieren oder ihre Kinder abzugeben, um mit Mitte vierzig ausgebrannt zu sein.

Im Wirtschaftskontext wird die Frau von Links und von Rechts zum Objekt gemacht

Diese Form der wirtschaftlichen Kontextualisierung der Gleichstellungspolitik ist problematisch. Egal ob in der linken, der konservativen oder der wirtschaftsliberalen Argumentation: Die Frau wird (erneut) zum Objekt. Sie ist ein Hindernis oder ein „asset“, sie ist Sklave oder Schutzbefohlene. Das eigentliche Ziel, für Frauen ein möglichst großes Maß an Wahlfreiheit zu schaffen und sie als frei zu denken, gerät so in Gefahr. Auch Gerechtigkeit spielt zunehmend eine untergeordnete Rolle.

Dabei ließe sich der Druck auf dem Arbeitsmarkt auch als Chance verstehen. Denn wo ein Mangel herrscht, sind die, die ein Angebot machen, am längeren Hebel, in diesem Fall sind es weibliche Arbeitskräfte. Durch den demografischen Wandel könnten Frauen erstmals den Arbeitsmarkt mitgestalten. Das kann heißen: Mehr Kinderbetreuung, familienverträgliche Arbeitszeiten, höhere Gehälter. Und, falls sie sich das wirklich wünschen, wie Apple und Facebook behaupten, eben auch „Social Freezing“ als Bonus.

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