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Soldaten feuern in Protestzug: Blutiger Machtkampf in Madagaskar

Der Kampf des Bürgermeisters der Hauptstadt gegen den Staatschef von Madagaskar spitzt sich zu. Am Samstag wurden bei Protesten mindestens 40 Menschen getötet.

Völlig unvermittelt ist die afrikanische Tropeninsel Madagaskar in den vergangenen Wochen von bürgerkriegsähnlichen Unruhen erschüttert worden. Auslöser der blutigen Proteste, bei denen inzwischen etwa 150 Menschen uns Leben kamen, ist dabei offenbar ein erbitterter Machtkampf zwischen Staatschef Marc Ravalomanana und Andry Rajoelina, dem neuen Oberbürgermeister der Hauptstadt Antananarivo.

Die Regierung hatte den Bürgermeister letzte Woche absetzen lassen, nachdem sich dieser einseitig zum neuen starken Mann des Landes erklärt und für das Wochenende die Präsentation einer Übergangsregierung angekündigt hatte. Zeitgleich hatte sich der 34-jährige Rajoelina, der zuvor als Discjockey arbeitete, an die Spitze einer Protestbewegung gegen Ravalomanana gestellt, dem er Selbstbereicherung, Verschwendungssucht und die Missachtung der Pressefreiheit vorwarf.

Im Zuge des Machtkampfes war es Ende Januar zu den ersten schweren Unruhen gekommen, in deren Verlauf bereits rund 100 Menschen ums Leben kamen. Die Wut der Demonstranten hatte sich zu dem Zeitpunkt vor allem gegen die Einkaufsmärkte des Präsidenten, aber auch gegen sein Medienzentrum gerichtet. Inventar und Waren waren dabei hemmungslos geplündert worden. Auch auf andere Geschäfte kam es zu Übergriffen, insbesondere in dem von Chinesen bewohnten Teil der Hauptstadt.

Ihren Höhepunkt erreichten die Proteste gegen die Regierung am Samstag, als eine weitere Kundgebung der Opposition aus dem Ruder lief – und Soldaten das Feuer auf die Menge eröffneten. Dabei wurden laut Medienberichten mindestens 40 Menschen getötet und weitere 300 verletzt. Augenzeugen berichteten, dass einige Demonstranten plötzlich auf den Stadtpalast vorstürmten, in dem auch der Präsident ein Büro hat, und dabei von Soldaten beschossen wurden. Andere Zeugen sprachen von „minutenlangem Dauerfeuer“ der Sicherheitskräfte.

Beobachter meinen, Oberbürgermeister Rajoelina nutze den Frust der Bevölkerung über die grassierende Armut in dem Inselstaat geschickt zu eigenen Zwecken. Allerdings sei sein Aufruf zum Sturz des Präsidenten und die am Samstag von ihm gebildete Gegenregierung wenig mehr als ein verdeckter Putschversuch gewesen.

Der gegenwärtige Staatschef Marc Ravalomanana war seinerseits im Jahr 2002 nach monatelangen Massenprotesten seiner Anhänger gegen den langjährigen Diktator Didier Ratsiraka an die Macht gekommen – und anschließend demokratisch legitimiert worden. Nun zeichnet sich in dem vom Westen gerne als Musterstaat gepriesenen Land eine Neuauflage dieser Ereignisse ab.

Ravalomanana wird von der internationalen Gemeinschaft wegen seiner wirtschaftsfreundlichen Politik geschätzt. Allerdings hat die Öffnung der Wirtschaft bislang wenig zum Abbau der Armut beigetragen, zumal ein Großteil des öffentlichen Lebens von wenigen Familien kontrolliert wird, darunter den Ravalomananas. Ravalomanana ist zuletzt wegen einer Reihe kontroverser Entscheidungen in die Kritik geraten. Besonders umstritten war dabei die Anschaffung eines neuen Präsidentenjets für 60 Millionen Dollar. Daneben wurde ihm vorgeworfen, dem südkoreanischen Konzern Daewoo große Gebiete des Inselstaats zur landwirtschaftlichen Nutzung überlassen zu haben. Unklar ist, ob die Unruhen eine Verbindung zu den jüngsten Ölfunden vor der Küste des Inselstaates haben.

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