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Somalia: Am eigenen Schopf

Es herrscht Aufbruchstimmung. Der neue Präsident Hassan Scheich Mohammed wird es dennoch nicht leicht haben. Denn normal ist in Somalia noch gar nichts.

Die Wahl des neuen Präsidenten Hassan Scheich Mohammed am späten Montagabend im Parlament ist in den von der Regierung und den Friedenstruppen der Afrikanischen Union beherrschten Teilen Somalias mit Begeisterung aufgenommen worden. Die islamistische Al-Schabaab-Miliz, die beträchtliche Teile Südsomalias unter Kontrolle hat, ließ dagegen wissen, „ein Verräter“, damit ist Übergangspräsident Scheich Scharif Scheich Ahmed gemeint, sei „durch einen anderen Verräter ersetzt“ worden.

Seit 20 Jahren steht Somalia als Synonym für Staatsverfall und Gesetzlosigkeit. Mit dem Sturz des sozialistischen Diktators Siad Barre 1991 wurde das in mehrere Einflusszonen zerfallene Land zur Beute rivalisierender Clanmilizen; eine Zentralregierung konnte sich danach nie mehr durchsetzen. Noch im vergangenen Jahr um diese Zeit schien die Lage völlig außer Kontrolle zu geraten: Eine Hungersnot und Al Schabaab, die alle Hilfslieferungen blockierte, veranlasste hunderttausende Not leidender Somalis zur Flucht. Mindestens 80 000 Menschen starben, rund 2,5 Millionen brauchten Nothilfe. Wieder einmal war das Land an einem neuen Tiefpunkt angelangt.

Doch seit der Vertreibung der Al Schabaab aus Mogadischu bessert sich die Lage. In den befreiten Gebieten haben sich Sicherheitslage und Geschäftsklima spürbar verbessert – und zwar für legale Geschäfte, nicht mehr nur für die Piraterie. In Mogadischu werden Häuser wiederaufgebaut, Wände gestrichen, das Parlament wird saniert. Der Bürgermeister von Mogadischu, Mohammed Nur, verließ einen gut bezahlten Job in London, wo er seine Frau und sechs Kinder zurückließ, um sich dem Wiederaufbau zu widmen.

Immer mehr Exil-Somalier kehren ins Land zurück. Osman Mohammed ist einer von ihnen. Der Zustand seiner Heimatstadt hat ihn schockiert: Anfangs glaubte er, nach Hiroschima gekommen zu sein, wie er sagt. Viel sei nicht übrig geblieben. „Mogadischu war früher ein zauberhafter Ort mit Boulevards, Moscheen und Kathedralen“, sagt er. Jetzt sei fast alles zerstört. Die Zuversicht hat er darüber aber dennoch nicht verloren. „Vor einem Jahr war hier nichts mehr offen.“ Nun würden die vielen Verbote der Islamisten in puncto Musik, Sport und Nachtleben von den meisten einfach ignoriert. Frauen und Mädchen drängeln sich zum Schwimmen an den Stränden der Stadt. Und die Märkte sind wieder mit importierter Ware wie Pasta aus Italien und Milchprodukten aus der Golfregion gefüllt. Dennoch warnt der ausgebildete Mediziner: „Wir glauben zwar, dass der Frieden bleibt“, sagt er, „und dass Somalia wieder blühen wird. Aber eine Garantie dafür gibt es sicher nicht.“

Obwohl es keine offiziellen Zahlen gibt, deuten die Berichte in den Zeitungen und von Reisenden auf eine spürbare Erholung der Lage hin: Dahabschiil, das größte Bankennetz im Land, hat gerade gemeldet, dass die Finanzzuflüsse aus dem Ausland seit Jahresbeginn um mehr als 20 Prozent gestiegen seien. Als Reaktion darauf hat der somalische Schilling gegenüber dem US-Dollar in den vergangenen zwölf Monaten fast 40 Prozent zulegen können. Und auf dem mit türkischer Hilfe modernisierten Flughafen landen nun jeden Tag drei internationale Carrier, aus Kenia, den Golfstaaten oder der Türkei. In der Hauptstadt geht es aufwärts.

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