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Während die Grünen ihren Erfolg bei den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz feiern, spricht SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz von einem "genialen Schachzug des Innenministers". Bei genauer Betrachtung aber ist Otto Schilys Schachzug ein großes Zugeständnis an die Grünen.

Während die Grünen ihren Erfolg bei den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz feiern, spricht SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz von einem "genialen Schachzug des Innenministers". Bei genauer Betrachtung aber ist Otto Schilys Schachzug ein großes Zugeständnis an die Grünen. Mindestens in drei entscheidenden Punkten ist Schily am Wochenende große Schritte auf den kleinen Koalitionspartner zugegangen: beim Schutz von Opfern nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung, beim Nachzugsalter für die Kinder von Zuwanderern und bei der Frage, wie bisher nur geduldete Ausländern leichter eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen können.

"Eine Anerkennung von nichtsstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung gibt es nur über meine Leiche", hatte Schily noch vor einigen Wochen gesagt. Dass es, wie von den Grünen kritisiert, Schutzlücken im deutschen Flüchtlingsrecht gebe, hatte Schily stets stoisch verneint. Inzwischen muss viel passiert sein. Jedenfalls enthält der neue Entwurf nun die Formulierung, dass niemand in einen Staat abgeschoben werden darf, wenn Leben oder Freiheit unter anderem "wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seines Geschlechts" bedroht sind. Zudem heißt es jetzt, dass die Voraussetzungen für den Abschiebeschutz auch bei nichtstaatlicher Verfolgung vorliegen können. Das wäre zwar keine Ausweitung der Asylgründe. Dennoch wäre die Neuregelung eine erhebliche Verbesserung für viele schutzsuchende Flüchtlinge.

Beim Nachzugsalter für Zuwanderer-Kinder ist Schily bereit, die Grenze bei 14 Jahren festzulegen. Beabsichtigt waren zunächst 12 Jahre. Voraussetzung ist, dass das Kind bereits über "ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache" verfügt. Diese Formulierung ist ebenso Einschränkung wie eine Garantie. Denn Kinder, die gut genug Deutsch sprechen, müssen künftig als Nachzügler akzeptiert werden. Im alten Entwurf war dies dem Ermessen der Behörden überlassen. Zumindest ein Teilkompromiss - hatten die Grünen doch stets nach einem Nachzugsalter von 18 Jahren verlangt. Diese Option steht auch in Schilys Neufassung nur Kindern von hochqualifizierten Zuwanderern und EU-Bürgern offen. Die Union fordert nach wie vor eine Absenkung auf sechs Jahre.

Wichtig sind den Grünen auch Änderungen, durch die jene Ausländer, die bislang ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland leben, leichter an diesen Status gelangen können - die so genannten Geduldeten. Mit dem Zuwanderungsgesetz sollte die Duldung abgeschafft werden, das ist rot-grüner Konsens. Die Grünen befürchteten jedoch, dass ein Großteil dieser Menschen in die Illegalität abrutschen könnten, weil die Vorraussetzungen für eine ordentliche Aufenthaltserlaubnis zu hoch seien. Schily will diese Hürden nun doch noch senken.

Verbesserungen sollen auch weniger gebildete oder sozial schwache Ausländer erfahren, die schon lange in Deutschland leben, aber nicht die Voraussetzungen für die neugestaltete "Niederlassungserlaubnis" erfüllen, weil sie etwa nur Brocken der deutschen Sprache sprechen. Künftig soll, wer vor dem Jahr 2003 eine Aufenthaltserlaubnis besaß, auch dann eine Niederlassungserlaubnis erhalten, wenn er sich nur "in einfacher deutscher Sprache" verständigen kann.

Sollte das Kabinett wie nun geplant den neuen Entwurf am 7. November gemeinsam mit dem Sicherheitspaket II beschließen, wird eine intensive parlamentarische Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss folgen. Weitere Änderungen sind zu erwarten. Am Ende bleibt die Frage, ob das neue Gesetzeswerk noch in dieser Wahlperiode ins Bundesgesetzblatt wandern wird. Entscheidend wird der Bundesrat sein, in dem die unionsgeführten Länder eine Mehrheit haben. Erst Äußerungen von Seiten der C-Parteien zeigen, dass ihre Bereitschaft zur Zustimmung nach dem rot-grünen Kompromiss bei Null liegt. Vielleicht aber gelinge Schily auch im Bundesrat noch ein "genialer Schachzug in letzter Sekunde", hofft Wiefelspütz.

Markus Feldenkirchen

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