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Politik: Sondersitzung des Bundestags: "Der Kampf gegen das Böse ist real" - Otto Schily wettert gegen die Zaghaften und bekommt dafür den Beifall der Union

Er fing ganz langsam an. "Ich erinnere mich.

Er fing ganz langsam an. "Ich erinnere mich...", sagte Otto Schily fünf Mal, dann folgte ein Lob Amerikas. Die Versorgung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, der Marshall-Plan, die Luftbrücke, Kennedy, die Gespräche mit US-Botschaftern über die Lösung von Krisen auf dem Balkan. "Wir haben allen Grund, in diesen Tagen die Unverbrüchlichkeit der Freundschaft mit Amerika zu betonen", bilanzierte der Innenminister. Es war spät, die Sondersitzung des Bundestages zum Kampf gegen den Terror dauerte schon Stunden, und ganz voll waren die Sitzreihen nicht mehr. Doch die, die fehlten, verpassten etwas.

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Umfrage: Haben Sie Angst vor den Folgen des Attentats? Fotos: Die Ereignisse seit dem 11. September in Bildern Fahndung: Der Stand der Ermittlungen Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 gilt als der Hauptverdächtige Chronologie: Die Anschlagserie gegen die USA Schily wetterte gegen "Zaghaftigkeit und Unentschlossenheit", er rief dazu auf, "von unserem Hang zum Pessimismus Abschied zu nehmen", er geißelte "philosophische Haarspaltereien", er verlangte: "Manche Gemächlichkeit und Umstandskrämerei müssen wir ablegen!" Drei Seitenhiebe gegen Bürokraten seines eigenen Ministeriums, die späte Aufstockung des Verfassungsschutzes in Bayern und grüne Lieblingsforderungen bei der Zuwanderung quittierten die jeweils nicht Betroffenen mit Gelächter und Applaus. Immer mehr Staunen begleitete Schily, als er die Liste seiner Wunschbegriffe vortrug. Verantwortung müsse wahrgenommen werden, Einmütigkeit in den Vordergrund gerückt. Es brauche den "Mut des aufrechten Ganges" sowie "Entschlossenheit und Klarheit".

Selten hat sich die Union so über einen Sozialdemokraten gefreut. Zuweilen war der Beifall von CDU und CSU stärker als jener der SPD. Bei den Grünen blieb es oft völlig ruhig. Dabei hatte Schily dem Partner die Zusicherung zu bieten, er werde sich vom Zuwanderungsgesetz "nicht verabschieden". Nur: Jene Worte, die bei den Details folgten, konnten den Grünen gar nicht passen. Schily hieb heftig auf das Rednerpult und donnerte, beim Missbrauch des Asyls gebe es nur eines, und zwar "den Herrschaften das Handwerk legen!" Natürlich bleibe der Rechtsstaat erhalten, aber der Datenschutz werde - noch! - übertrieben. "Niemand darf mir in den Arm fallen!"

Der heftigste Schily, den der Bundestag je sah, schloss philosophisch: "Verbrechen beginnen im Geist und in der Seele. Der Kampf gegen das Böse ist ein realer Kampf. Wir werden diesen Kampf aufnehmen, und wir werden ihn gewinnen!"

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