zum Hauptinhalt
Die 57-jährige Tanya Nedashkivs'ka trauert um ihren Mann, der in Butscha am Stadtrand von Kiew getötet wurde.

© Rodrigo Abd/AP/dpa

Zögerliche Ukraine-Unterstützung: Sonst laden wir Deutsche historische Schuld auf uns

Im Angesicht von Putins Verbrechen braucht es jetzt eine Politik des „All in“: Schwere Waffen, ein Ölembargo und ein Verbrecher-Tribunal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wie sagt der Bundespräsident? „Gescheitert“ sei die Russlandpolitik, und er habe sich in Putin „geirrt, wie andere auch“. Dass Frank-Walter Steinmeier damit nicht nur für sich selbst spricht, die Verantwortung nicht abweist, sondern sie ausdehnt, vorsichtshalber – geschenkt.

Denn so wird nur umso deutlicher, dass der Präsident für eine deutsche Politik spricht, die dringend der eigenen Erkenntnis Rechnung tragen muss. Eine Rückkehr zum Status vorher – vorbei. Mit Putin geht es nicht weiter. Sagt der Präsident auch noch. Und was folgt daraus?

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Daraus folgt: eine neue Politik des „All in“. Kein Zögern, sondern entschlossenes Handeln auf allen Ebenen. Lässt Putin nicht nach, lässt er keine Wahl. Das Recht muss gegen den Kriegsverbrecher und seine Schergen in Stellung gebracht werden, die Wirtschaft – und Waffen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Ukraine fordert zur Verteidigung Panzer, schwere Artillerie, Geschütze aller Art. Die muss sie bekommen. Und Kampfflugzeuge am besten dazu, MiG’s und Suchoi, endlich.

Ein Tribunal wegen Kriegsverbrechen muss kommen

Auch in der Wirtschaft geht noch mehr. Ein Ölembargo träfe Russland sogar noch härter als eines von Gas, Russland hängt viel mehr von dem Export ab. Dazu ein Stopp der Gaspipeline Nord Stream 1, wodurch der Weg von Gas nur noch über die Ukraine führte. Außerdem Strafzölle auf Lieferungen. Das alles zahlt sich aus, ganz bestimmt.

Und dann: Der Generalbundesanwalt ermittelt, der Internationale Gerichthof auch, der Internationale Strafgerichtshof sollte es – und die Idee eines Tribunals wegen Kriegsverbrechen wie damals in Nürnberg, aufgebracht von einem Briten, ist auch noch längst nicht vom Tisch.

Wie hatte Bundespräsident Steinmeier nach seiner Wiederwahl gefordert? Putin solle die Schlinge um den Hals der Ukraine lösen. Nun wird eine um den Hals von Putins Russland gelegt. Das erinnert an Colin Powell, im ersten Irakkrieg US-Generalstabschef. Der wollte auch vor allem mit Sanktionen den Irak Saddam Husseins strangulieren, um nicht einzumarschieren. Das hätte sogar gelingen können.

Mehr zum Ukraine-Krieg bei Tagesspiegel Plus:

Noch einmal, damit niemand sagen kann, er oder sie habe es nicht gewusst: Putin ist ein revisionistischer Diktator, ein völkischer Aggressor. Er versucht, die Friedensordnung in Europa nach 1989 nicht nur zu revidieren, sondern sie zu zerstören. Putin ist ein Feind der Demokratie.

Zerstörungen in Mariupol - wer und was kann das Leiden stoppen?

© REUTERS/Alexander Ermochenko

Er ist vom Typus her einer, der keine Reue empfindet, lügt, betrügt, manipuliert, Menschen ausnutzt, jedes Risiko zur Durchsetzung seiner Ziele in Kauf nimmt, umso brutaler wird, je schwieriger die Lage ist. Verantwortungslos. Psychopathologisch.

Und Putin hat es angekündigt, im vergangenen Jahr. Es ist sein Kampf. Er handelt danach. Sein Verteidigungsminister hat die Worte vom August vergangenen Jahres zur Pflichtlektüre für jeden Soldaten erklärt.

Nein. Stopp. In allen Parteien wächst der Wunsch, nicht zuzulassen, dass die Ukraine untergeht – und mit ihr der moralisch-ethische Anspruch der demokratischen Staaten. Darum: Selbstreflexion, Verantwortung, Verpflichtung – das ist die neue Steinmeier-Formel, der Dreiklang nach dem Massaker von Butscha, nach der Verwüstung von Mariupol.

Daran führt kein Weg mehr vorbei. Denn Putins Soldaten überfallen ein Nachbarland, sie morden, foltern, vergewaltigen. Das muss aufhören. Sonst laden wir, gerade wir Deutsche, Schuld auf uns. Eine, die in der Rückschau historisch genannt werden kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false