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Politik: Sozial waren wir sowieso

Von Cordula Eubel

Was man gern hätte, das verrät das Motto, das man sich gibt. Der CSUParteitag stand unter dem Slogan: Klare Werte, klarer Kurs. Was die CSU-Oberen ihrem Parteitag verordnet haben, ist aber eher ein frommer Wunsch, als dass es die reale Stimmung in der bayerischen Volkspartei trifft. Wenn den CSU-Parteitag etwas prägte, dann eine für diese Partei ganz ungewohnte Ratlosigkeit. Auch in München geht der Verdacht um, dass es nicht reicht, konservative Werte zu betonen, wenn die Gesellschaft sich im Übergang in eine neue, unbequeme, von ökonomischen Gesetzen stärker als je bestimmte Zeit befindet. Reformieren muss sein, das ist auch das klare Bekenntnis der CSU. Aber wie, ohne dass die Menschen das Vertrauen verlieren?

Die Union, erst recht die CSU, hat lange Zeit geglaubt, dass sich diese Frage für sie nicht stellt. Sozial san mer sowieso, steht doch in unserem Namen! Aber diese Variante sozialer Gesinnung war eng mit dem alten Sozialstaat verknüpft. Dessen Hauptproblem war die Frage, wie man den Wohlstand für alle am besten verteilt. Seit der Wohlstand nicht mehr wächst, sondern zu schrumpfen droht, stellt sich die Frage anders: Wem können wir am ehesten etwas vom Kuchen wegnehmen, wo müssen wir andererseits Mittel hinlenken? „Sozial ist, was Arbeit schafft“ ist die vorläufige Formel für diese neue Sichtweise. Aber die Leute hören immer nur „Einschnitte“.

CDU und CSU mussten sich Sorgen um ihr soziales Profil auch deshalb nicht machen, weil es in der Vergangenheit einen Gegenpol gab. Die Sozialdemokraten verfolgten lange Zeit fast ausschließlich das Ziel, den Kuchen Sozialstaat auch noch mit Sahne zu garnieren. Dagegen wirkte die Union mit ihrem frühen Bekenntnis zu Reformen modern. Das hat sich geändert, seit Bundeskanzler Gerhard Schröder die SPD auf den Kurs der Agenda 2010 gebracht hat. Auch diese Politik wird in der Bevölkerung nicht mehr mit dem Etikett „sozial“ versehen, weil sie erstmals materielle Zugeständnisse abverlangt. Der Preis dafür in Wählerstimmen war und ist hoch.

Die Union steckt in der gleichen Zwickmühle. Reformieren will sie sogar eher mehr. Für die andere Seite fehlt ihr, wie der SPD, noch der Begriff. Mit den alten Formeln, „gerecht“ und „sozial“ müsse es zugehen, kommt man nicht mehr weit, weil diese Worte für die meisten Menschen heißen „tut mir nicht weh“. Es tut aber weh. Die CSU erlebt in Bayern, wie sehr schon ein bisher eher mäßig hartes Sparprogramm ihre Leute verstört.

Es fehlt nicht nur am Begriff, es braucht vor allem auch Personen, die Reformen erklären können und dabei glaubhaft machen, dass sie die Rücksicht auf die kleinen Leute nicht nur im Munde führen. Horst Seehofer ist immer so ein Wärmespender gewesen. Für viele verkörpert er die Geborgenheit, die eine Volkspartei ausstrahlen muss. Doch Seehofer steht für den Sozialstaat alten Typs. Darin steckt mehr nostalgische Erinnerung als Aufbruch zu neuen Ufern.

Die Politiker, die eine neue Linie in der Union verkörpern könnten, so unterschiedliche Volkslieblinge wie Peter Müller oder Christian Wulff, sind in der Landespolitik gebunden. Der hoffnungsvolle Nachwuchs in der Fraktion ist noch wenig sichtbar. Aber dass die CSU-Spitze an einem Mann wie Seehofer um fast jeden Preis festhält, zeigt den Mangel deutlich auf.

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