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Sozialpolitik: Behinderte bei Hartz IV gleichstellen

Behinderte Hartz IV-Empfänger, die bei ihren Eltern leben, erhalten nicht den vollen Regelsatz. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, will das so schnell wie möglich ändern.

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, fordert eine schnelle Überprüfung der Regelsätze für erwerbsgeminderte behinderte Menschen über 25 Jahren. „Die Prüfung darf nicht eine Ewigkeit dauern. Wir sollten zügig eine Entscheidung treffen, bevor die ersten Kläger vor die Sozialgerichte ziehen“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Das Risiko, dass ein Gericht die aktuelle Regelung kippt, hält Hüppe für gegeben. „Es ist weder nachvollziehbar noch gerecht, dass behinderte Menschen schlechter gestellt werden als über 25-jährige Hartz-IV-Bezieher, die noch bei ihren Eltern wohnen“, sagte er.

Im Hartz-IV-Vermittlungsverfahren haben Regierung und Opposition vereinbart, die neue „Regelbedarfsstufe 3“ zu überprüfen. Danach sollen Behinderte, die mit anderen in einem gemeinsamen Haushalt leben, 291 Euro als Regelsatz erhalten. Das sind 80 Prozent des vollen Hartz-IV-Regelsatzes von 364 Euro, also 73 Euro im Monat weniger. Nicht behinderte Hartz-IV-Empfänger, die im Alter von über 25 Jahren noch bei ihren Eltern wohnen, erhalten hingegen 100 Prozent. Diese Ungleichbehandlung hält das Arbeitsministerium für gerechtfertigt, weil es Sonderregelungen wie zusätzliche Zahlungen bei schweren Gehbehinderungen gebe. Außerdem könnten Betroffene bei den Sozialhilfeträgern den vollen Regelsatz beantragen, wenn dies wirtschaftlich begründet ist.

Der pauschale Abschlag trifft nach Ansicht des Grünen-Sozialexperten Markus Kurth vor allem Menschen, die an ihrer Einkommenssituation kaum etwas ändern können. Die Regierung sei eine vernünftige Begründung schuldig geblieben, warum sie den Regelsatz bei 80 Prozent ansetze, kritisiert der Bundestagsabgeordnete. „Es ist nachvollziehbar, dass sich durch das Zusammenleben gewisse Ersparnisse ergeben, etwa durch die gemeinsame Nutzung eines Kühlschranks. Aber da die Regierung keine statistischen Belege liefert, handelt es sich um willkürliche Schätzungen“, sagte Kurth mit Verweis auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil. Die Karlsruher Richter hatten eine transparente und nachvollziehbare Berechnung der Regelsätze verlangt und Schätzungen „ins Blaue“ ausdrücklich als verfassungswidrig bezeichnet. Kurth schlägt vor, erwerbsunfähigen Menschen mit Behinderungen, die mit ihren Eltern zusammenleben, vorübergehend 100 Prozent des Regelsatzes auszuzahlen – bis eine Sonderauswertung vorliege.

Der behindertenpolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Ilja Seifert, befürchtet, dass es Jahre dauern werde, bis die Bundesregierung ihre Überprüfung abgeschlossen habe. „Die Betroffenen benötigen aber schon jetzt das Geld. Wer behindert und erwerbsunfähig ist, benötigt Pflege und Assistenz“, sagte Seifert. Da von Synergien zu sprechen, sei „zynisch“.

Um große Beträge geht es nicht: Nach Angaben des Behindertenbeauftragten gab es 2009 geschätzt 37000 erwerbsunfähige Menschen mit Behinderungen (im Alter von 18 bis 65 Jahren), die mit anderen Menschen zusammenwohnten. Hüppe wirbt dafür, ihnen den vollen Regelsatz von 364 Euro zu zahlen.

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