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Politik: Spannungsverhältnis

Stromkonzern RWE beantragt längere Laufzeit für Biblis A / Gabriel: Widerspruch zum Atomgesetz

Berlin/Essen - Der Vertrag ist sechs Jahre alt und trägt auch die Unterschrift des damaligen Vorstandsvorsitzenden von RWE. Doch am Dienstag machte Harry Roels, der heutige Chef des Essener Stromkonzerns, klar, dass er den Vertrag zwischen Bund und Stromversorgern zum Ausstieg aus der Atomkraft nach Möglichkeit rückgängig machen will. Dazu beantragte das Unternehmen beim Bundesumweltministerium, für das älteste laufende Atomkraftwerk der Republik, den Block A im hessischen Biblis, die erlaubte Produktionsmenge an Strom zu erhöhen. Statt im Jahr 2008 soll der Betrieb erst 2011 und damit lange nach der nächsten Bundestagswahl enden. Weil laut geltendem Atomgesetz die Gesamtmenge des Stroms, der noch in Atomkraftwerken produziert werden darf, begrenzt ist, fordert RWE die Übertragung eines Stromkontingents aus dem wegen falscher Genehmigung vorzeitig stillgelegten Kernkraftwerk Mülheim- Kärlich auf die Anlage in Biblis.

Zwar erklärte Jan Zilius, Chef der Kraftwerkssparte von RWE, der Antrag stehe „nicht im Widerspruch zur Vereinbarung mit der Bundesregierung“. Aber diese These vermochte er nicht recht zu begründen. Denn gerade der Altmeiler in Biblis galt schon im Jahr 2000 als besonders unsicher. Darum erlaubt der Ausstiegsvertrag eine Übertragung des Kontingents aus Mühlheim-Kärlich ausdrücklich nur für die wesentlich jüngeren Akw im westfälischen Lingen, in Gundremmingen und zu einem kleinen Teil für den Block B in Biblis. Zilius interpretierte diese Regelung jedoch so, dass damit lediglich beschrieben sei, was ohne Genehmigung erlaubt ist. Weil RWE aber mittlerweile rund 500 Millionen Euro in die sicherheitstechnische Nachrüstung von Biblis A investiert habe, könne eine längere Laufzeit jetzt sehr wohl rechtens sein.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte jedoch schon zuvor erklärt, der Antrag widerspreche „dem Atomgesetz und dem Ausstiegsvertrag in Geist und Wort“. Gleichzeitig vertrat Gabriel die Auffassung, allein sein Ministerium habe zu entscheiden. Laut Gesetz müssten Wirtschaftsministerium und Kanzleramt nur dann in die Entscheidung einbezogen werden, „wenn wir zu dem Ergebnis kämen, ein solcher Antrag könnte genehmigt werden“. Demgegenüber erklärte Zilius, er halte diese Aussage Gabriels für „juristisch nicht haltbar“. Würde der Antrag tatsächlich verzögert oder abgelehnt, werde man „alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen“ sagte der RWE-Manager. Auf Nachfrage räumte Zilius indirekt ein, dass er auf eine Intervention der Kanzlerin hofft. Schließlich mache es keinen Sinn, „vollendete Tatsachen zu schaffen“, noch bevor ein Gesamtkonzept zur künftigen Energieversorgung vorliege. Der nächste Energiegipfel ist für die übernächste Woche angesetzt.

In diesem Zusammenhang drohte der RWE-Manager indirekt mit weiteren Preiserhöhungen, wenn die Bundesregierung am Ausstieg festhalte. Würden schon in dieser Legislaturperiode wie vorgesehen drei Blöcke abgeschaltet, neben Biblis A wären das die Meiler in Brunsbüttel an der Unterelbe und in Neckarwestheim, dann habe dies „bestimmt einen preissteigernden Effekt“.

Derweil stieß der Antrag des RWE-Konzerns auf scharfe Ablehnung bei den Umweltverbänden. Rainer Baake, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe und zu Zeiten von Rot-Grün für die Reaktorsicherheit zuständiger Staatssekretär, sprach von einem „ Anschlag auf die Sicherheit der Bevölkerung“. RWE sei bekannt, dass Biblis A heutigen Sicherheitsanforderungen nicht genüge, weil zum Beispiel eine unabhängige Notstandswarte fehle. Der Weiterbetrieb sei seinerzeit nur unter der Voraussetzung geduldet worden, „dass 2008 endgültig Schluss ist“, sagte Baake. Im Übrigen kenne RWE die besondere Verwundbarkeit des Reaktors gegen von Terroristen herbeigeführte Flugzeugabstürze. Die jetzigen Aktionen der Betreiber zur Laufzeitverlängerungen dienten „der unverhohlenen Absicht“, die ältesten Meiler über das Ende der Legislaturperiode am Netz zu halten, um die von den Konzernen selbst unterzeichnete Ausstiegsvereinbarung später mithilfe anderer politischer Mehrheiten zu unterlaufen, kritisierte Baake.

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