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Knapp bei Kasse. Junge Menschen sind von der Krise besonders betroffen.

© REUTERS

Euro-Krise in Irland: Sparen, nichts als sparen

Irland gilt unter den Euro-Krisenstaaten als Musterschüler. Doch die Kürzungen strapazieren die Geduld der Menschen auf der Grünen Insel. Der nächste Haushalt des Jahres 2013 soll nach den Worten von Haushaltsminister Brendan Howlin ein "knallharter Etat" werden.

Dublin - Dallan Shovlin sitzt zusammen mit seiner Freundin in einem Café in der Nähe der Samuel Beckett Bridge, einer raffinierten Brückenkonstruktion, die sich in der Form einer Harfe über die Liffey spannt. Hier, im Zentrum Dublins, begannen einst die Träume vom „Keltischen Tiger“, der mit gigantischen Wachstumsraten seinen europäischen Nachbarn imponierte. Heute ist aus dem „Keltischen Tiger“ ein Empfänger von Milliardenhilfen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) geworden, und in dem Büroviertel an der Liffey, wo in den Boomjahren die Betontürme in die Höhe wuchsen, gibt es viel Leerstand. Dallan Shovlin kann sich gut vorstellen, irgendwann seiner irischen Heimat den Rücken zu kehren.

Im Sommer ist der 20-jährige Student gemeinsam mit seiner Freundin in den USA gewesen. Die beiden haben sich gewundert, wie leicht sie dort einen Job als Kellner bekamen. Ob er jemals in Irland nach seinem Studium der Kommunikationswissenschaft eine Arbeit finden wird, weiß Dallan Shovlin nicht. Aber trotzdem will er nicht auf die Barrikaden gehen. Der irische Regierungschef Enda Kenny „tut doch, was er kann“, findet er.

Während in Griechenland die jungen Menschen regelmäßig gegen die Reformmaßnahmen ihrer Regierung demonstrieren, herrscht in Irland immer noch eine abwartende Haltung. Genauso wie die Euro-Krisenländer Griechenland und Portugal hat sich Irland einem Reformprogramm der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank unterworfen. Aber anders als Griechenland gilt Irland als Musterschüler. Die Vorgaben der internationalen Geldgeber hat Dublin stets vorbildlich erfüllt. Ende 2013, so lautet der Plan, möchte Irland wieder komplett an die Kapitalmärkte zurückkehren. Im vergangenen Juli gelang es dem Land, nach fast zweijähriger Pause wieder Staatsanleihen zu versteigern.

Aber trotzdem liegen Schatten über dem Bild des irischen Musterknaben. Jedes Jahr verlassen etwa 50 000 junge Iren ihr Land, weil sie sich anderswo eine bessere Perspektive erhoffen. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt inzwischen 30 Prozent. In den Jahren, in denen sich in Irland die Immobilienblase aufbaute, war es für junge Männer oftmals kein Problem, auf dem Bau einen Job zu finden. Die Blase platzte im Jahr 2008 – und inzwischen hat die Krise auch gut ausgebildete Akademiker erreicht.

Besonders hart trifft es dabei jene, die schon immer einen schweren Stand hatten – alleinerziehende Mütter, Geringqualifizierte, Alte. Bereits in den Boom-Jahren mussten rund 700 000 der insgesamt über vier Millionen Iren mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens auskommen und galten damit als arm. Die Zahl der Armen ist in Irland nach Angaben der Wohltätigkeitsorganisation „Society of St. Vincent de Paul“ seither zwar ungefähr stabil geblieben. Und doch hat sich etwas geändert. Immer mehr Menschen würden sich an die Wohltätigkeitsorganisation wenden, um Lebensmittel zu erhalten, berichten die Mitarbeiter des Hilfswerks.

In der nördlichen Innenstadt von Dublin betreibt die „Society of St. Vincent de Paul“ einen Laden, der zum Treffpunkt für Bedürftige geworden ist. Die Arbeitslosenquote in dem Viertel liegt bei über 40 Prozent, und die Kriminalitätsrate ist hoch. Hinten im Laden sortieren Männer und Frauen in der Kleiderkammer unter dem Gedudel eines Radios Kleiderspenden, die anschließend in großen blauen Plastikboxen landen. Vorne sind die Kleider dann für einen oder zwei Euro zu haben. Das Geschäft dient aber nicht nur als Laden, sondern auch als Anlaufpunkt für alle, die wegen der Krise in Not geraten sind. Seit 2009, berichtet Caroline Fahey von der Hilfsorganisation, hat sich die Zahl der Anfragen, beispielsweise zur Unterstützung bei den Heizkosten, um 80 Prozent erhöht.

Viele Iren sind derzeit besonders nervös, weil ein Ende des Sparkurses, den das Land seit vier Jahren verfolgt, immer noch nicht abzusehen ist. Für den nächsten Haushalt des Jahres 2013 sind Kürzungen oder Steuererhöhungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro vorgesehen. „Es wird ein knallharter Etat werden“, sagte Haushaltsminister Brendan Howlin. Geplant ist unter anderem die Einführung einer Grundsteuer, die Immobilienbesitzer im Schnitt mit einem Jahresbetrag zwischen 300 und 400 Euro treffen könnte.

Der Unmut der breiten Bevölkerung richtet sich nicht zuletzt gegen die Staatsdiener, die finanziell trotz der bereits beschlossenen Kürzungsrunden immer noch verhältnismäßig gut dastehen. Zwar mussten die Staatsbediensteten seit 2009 im Schnitt Einkommenseinbußen von 14 Prozent hinnehmen. Andererseits gehören etwa Lehrer in Irland nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) immer noch zu den bestbezahlten Pädagogen in den Industrieländern. Die Regierung des Konservativen Enda Kenny will aber bislang nicht an einer Vereinbarung rütteln, welche die Staatsdiener bis zum Jahr 2014 vor weiteren Gehaltskürzungen bewahren soll.

Seit eineinhalb Jahren versucht Ministerpräsident Kenny nun, gleichzeitig die Sparvorgaben der Geldgeber zu erfüllen und sein Land wieder auf einen Wachstumspfad zurückzuführen. Ob er dabei Erfolg haben wird, bleibt vorerst offen. Selbst geduldige Menschen wie Dallan Shovlin wollen irgendwann ein Licht am Ende des Tunnels sehen. „Ich hoffe nur“, sagte der Student, „dass der Sparkurs nicht ewig anhält“. Albrecht Meier

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