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SPD: Linkes Dilemma

SPD-Chef Kurt Beck attackiert Lafontaine heftig, die Landespolitiker sind pragmatischer. Und dazu kommt ein Kanzlerkandidatenproblem.

Von Matthias Meisner

Berlin - Es gibt für den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck keine Treffen mit der Basis mehr, bei denen nicht Oskar Lafontaine eine zentrale Rolle spielt, der vermutlich prominenteste Ex-Genosse. So ist es seit Wochen, und so ist es am Samstag beim Parteitag der bayerischen SPD. Die Sozialdemokraten, sagt Gastredner Beck in Würzburg, müssten weder Angst haben vor den Konservativen, noch vor denjenigen, „die sich Linke nennen und in Wahrheit Populismus propagieren“. Realität müsse stets der Maßstab des Handelns sein, sagt er mit Blick auf die Versprechen des Linkspartei-Vorsitzenden Lafontaine: „Wer so tut, als könne der Staat gelegentlich mal in die Tasche greifen und alle Probleme lösen, der macht den Menschen etwas vor. Das ist die Unwahrheit.“

Es gibt keine Annäherung zur Linken, und erst recht keine Versöhnung – nicht jedenfalls, wenn es nach Beck oder anderen Spitzengenossen wie seinem Vize Peer Steinbrück geht. Schon vor dem Würzburger Parteitag hat Beck der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ein Interview gegeben, in dem er den inneren Bruch mit Lafontaine auf den Mannheimer SPD-Parteitag 1995 datiert: „Die Art und Weise, wie er mit dem Vorsitzenden Rudolf Scharping damals umgegangen ist, war abstoßend. So etwas tut man nicht.“ Lafontaine hatte damals Scharping in einer Kampfabstimmung den Vorsitz entrissen. Heute habe sich die Linkspartei der Irrealität verschrieben, und deshalb geb es „überhaupt keine Basis für eine Zusammenarbeit“.

In den Ländern wachsen die Zweifel, ob die aufgeregten Töne zu diesem Thema der SPD dienlich sind. „Ich rate zu einem Höchstmaß an Gelassenheit“, empfiehlt Aufbau-Ost-Minister Wolfgang Tiefensee auf dem Parteitag der sächsischen SPD in Markneukirchen. Die Landes-SPD dort wählt Dirk Panter zu ihrem neuen Generalsekretär, einen Pragmatiker, der gut nachvollziehen kann, was Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zur Debatte beiträgt – als erster Spitzengenosse hatte der eine Koalition links der Mitte mittelfristig auch im Bund nicht ausgeschlossen. Und wenig dürfte es Beck auch gefallen, dass die nordrhein-westfälische SPD-Landeschefin Hannelore Kraft in der „Welt am Sonntag“ Becks Äußerung, in den alten Bundesländern werde es keine Koalition mit der Linken geben, nur mit dem Hinweis kommentiert, dass über Koalitionen in den Ländern die Landesparteien entscheiden würden. Kraft legt sich also nicht fest, ähnlich wie zuvor bereits Heiko Maas, der Chef der Saarland-SPD.

Die Pragmatiker in der Linken sondieren nach Möglichkeiten, ans Regieren zu kommen. In Sachsen und in Thüringen wird am Wochenende der Zusammenschluss von PDS und WASG zur Linkspartei nachvollzogen. Der neue Linksfraktionschef in Sachsen, André Hahn, hat SPD, Grünen und FDP diese Woche eine „Koalition der Vernunft“ gegen die CDU angeboten. In Thüringen wirbt Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi dafür, dass sein Vize Bodo Ramelow Spitzenkandidat bei der nächsten Landtagswahl wird – ähnlich wie in Sachsen und Sachsen-Anhalt wird Ramelow wohl das Problem haben, dass die SPD einen Ministerpräsidenten aus der Ex-PDS kaum tolerieren wird.

Wowereit derweil hat die Debatte nicht geschadet. Der „Spiegel“ meldet, er zähle inzwischen zusammen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Steinbrück zu den bundesweit beliebtesten SPD-Politikern. Und Beck? Dem sagt Steinbrück voraus, dass er auf jeden Fall Kanzlerkandidat der SPD wird. Beck empfindet diese Voraussage als Empfehlung zur Unzeit. In Würzburg sagt er: „Ich werde zur rechten Zeit einen Vorschlag machen, und dieser Zeitpunkt ist noch lange nicht gekommen.“

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