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Politik: SPD-Parteitag: Ein bisschen Generationswechsel

Am Donnerstag sprach Wolfgang Clement über die seiner Ansicht nach so vorbildliche Fortschrittlichkeit des umweltbewussten Kraftwerkbaus in seinem Nordrhein-Westfalen. Und Rudolf Scharping rief nach der "Erneuerung des gesamten Energieerzeugungsmarktes".

Am Donnerstag sprach Wolfgang Clement über die seiner Ansicht nach so vorbildliche Fortschrittlichkeit des umweltbewussten Kraftwerkbaus in seinem Nordrhein-Westfalen. Und Rudolf Scharping rief nach der "Erneuerung des gesamten Energieerzeugungsmarktes". Alles müsse da eingehen: ostdeutsche Braunkohle, westdeutsche Steinkohle, Kraft-Wärme-Kopplung, Kraftwerkneubau. Ein Antrag zum Schutz der deutschen Steinkohle wurde dann mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen: die Traditions-SPD.

Ministerpräsident Clement und Verteidigungsminister Scharping als die neuen Fachpolitiker in Sachen Energie? Nein, hinter den Fachvorträgen der beiden Vize-Parteichefs stand mehr. Clement und Scharping, die Alten, haben sich mit den jungen Ministerpräsidenten Beck und Gabriel zusammengetan. Der Pfälzer und der Niedersachse gehören zu jenen, die die SPD in ein paar Jahren führen sollen, auch wenn dieser Parteitag die sichtbare Vorbereitung dieses Personalwechsels verschoben hat: Weder Beck noch Gabriel rückte auf in den Fünferkreis der Schröder-Stellvertreter.

Um sie trotzdem noch enger einzubinden, gibt es einen neuen Kreis. "Nürnberger Mitte" heißt er und versteht sich als Gruppe der innerparteilichen Modernisierer. Gleich zu Beginn des Parteitages wurde er gegründet. Vordergründig geht es um Sachthemen, dahinter um die Vorbereitung des nächsten großen Generationswechsels. Deshalb sitzen in der "Nürnberger Mitte" Scharping und Clement mit Beck und Gabriel zusammen.

Beim Schlusstag des Nürnberger SPD-Parteitages ging es am Donnerstag um Sachthemen, nicht Personen. Von der Kohle schwang sich die Partei auf zum sehr Grundsätzlichen. Scharping präsentierte den Zwischenbericht der Programmkommission, den diese nach 18 Monaten vorgelegt hat. Es gehe nicht um ein neues Parteiprogramm, es gehe um die Einladung "zur Teilnahme an dieser orientierenden Debatte", wie Scharping meinte. Die Programmdebatte solle die Regierungspolitik einbetten in die langfristige Perspektive sozialdemokratischer Politik - und zugleich die europäische Debatte einbeziehen. So will die SPD einer "Zeit kurzatmiger Ereignisorientierung", den "tagespolitischen Zwängen, eine Zielorientierung und ein Verständnis" abringen. Damit solle Politik "mehr als die Verwaltung des Unvermeidlichen" werden.

Wer die Kohle verlässt und das Grundsätzliche sucht, kommt am Begriff Globalisierung schwerlich vorbei. Scharping meinte: "Wir stehen weiter am Ende zweier Jahrzehnte liberaler und neoliberaler Dominanz", die enorme soziale und ökologische Probleme hinterlassen hätten. Freiheit sei indes auch für die SPD der zentrale Wert, nur dürfe er "nicht von seinem sozialen Sinn entleert werden". Globalisierung sei Entgrenzung, Beschleunigung, Ent-Traditionalisierung, ein "rascher, manchmal rasender Prozess".

Scharpings Programmkommission schlägt die Kontrolle der Globalisierung durch internationale Zusammenarbeit, die Organisation durch Kooperation vor. "Unser Blick darf nicht auf Deutschland und in vielerlei Hinsicht auch nicht auf Europa begrenzt sein", forderte Scharping. Nach seiner Auffassung dürfe es keinen Rückzug der Politik geben, nötig sei eine neue Form der Gestaltung. Alles Gedanken, wie sie Bill Clintons Wahlprogramm von 1992 ähneln.

Warum der Verteidigungsminister seine Ausflüge in die Energiepolitik unternahm? Sie dient so wunderbar zur Illustration der drei Leitlinien, die sich die Nürnberger Modernisierer vorgenommen haben, die Speerspitze der praktischen Umsetzung dessen, was Scharping am Donnerstag abstrakt formulierte. Die "Nürnberger Mitte" will die SPD nach vorn treiben, die Älteren und die Nachrücker wollen sich selbst jenseits von links und rechts platzieren, sie wollen die Politik an den Realitäten ausrichten. Realitäten, praktische Visionen, postideologische Politik: Da ist die Energiepolitik ein Musterbeispiel. Scharping pries das "Bedürfnis nach verlässlicher Orientierung". Ein neuer Kreis, das bereitstehende Personal, die Arbeit am Programm: Zwischen Steinkohleförderung und Globalisierung sollen alle drei Unternehmungen diese Orientierung schaffen.

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