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Politik: SPD-Parteitag: Gerade noch gewollt

Eine künstliche Welt seien Parteitage, eine ganz eigene, sagt Wolfgang Thierse und lächelt wissend. Er hat in letzter Zeit einige hinter sich gebracht, in Berlin, in der Hauptstadt-SPD.

Eine künstliche Welt seien Parteitage, eine ganz eigene, sagt Wolfgang Thierse und lächelt wissend. Er hat in letzter Zeit einige hinter sich gebracht, in Berlin, in der Hauptstadt-SPD. Nun stehen dem stellvertretenden Vorsitzenden im Bund wieder einige Tage bevor. Anstrengende, wie Thierse sagt. Denn es wird darum gehen, Stimmung zu schaffen und Stimmen zu sammeln, für die Wiederwahl der SPD und für die Wiederwahl an die Spitze der Partei. Und wie es der Zufall will, betritt in diesem Moment Rudolf Scharping das Podium, gelassen, mit freundlicher Miene, dem Bundeskanzler und SPD-Vorsitzenden bei der Begrüßung zugeneigt.

Das ist als Signal auch nötig. Die Delegierten nehmen ihm heute nicht mehr übel, dass er nach den Anfangsschwierigkeiten der rot-grünen Regierung den Eindruck erweckte, als halte er sich für den besseren Mann, als halte er sich bereit, Gerhard Schröder abzulösen. Scharping sah sich als Nummer zwei. Der letzte Parteitag im Dezember 1999 in Berlin wählte ihn auf Platz vier, den letzten unter den Stellvertretern, mit knapp 73 Prozent. Das war ein Schlag für ihn, der doch sonst als Parteisoldat mit Ergebnissen um die 90 Prozent rechnen konnte, schon gar nach Mannheim. Dort sagte er nach dem Verlust der Macht in der SPD: "Es gibt etwas, das ist wichtiger als wir."

In diesem Jahr hingegen hatten viele in der Partei den Eindruck, als sei ihm anderes wichtiger geworden: sein persönliches Glück. Doch der 11. September, der so vieles geändert hat, veränderte auch Scharpings Lage - zum Guten. Alle Überlegungen, er könne als Minister abgelöst werden, zerstoben. Schröder, der Kanzler, lehnte das kategorisch ab. Auch eine Strafaktion in der Partei lehnt Schröder, der Vorsitzende, ab. Im Gegenteil, er erklärte rechtzeitig vorher, dass er "Rudolf" ein ordentliches Ergebnis wünsche. Also eines im Rahmen des letzten.

Dieser Wunsch blieb nicht ungehört. Generalsekretär Franz Müntefering in der Partei und Peter Struck in der Fraktion warben um Stimmen. Auch mit dem Argument, dass in diesen Zeiten, im Kampf gegen den Terror, der Verteidigungsminister nicht geschwächt dastehen dürfe. Disziplin und Zusammenhalt gehen vor. Und Münteferings Wort hat Gewicht, nicht zuletzt deshalb, weil er noch Chef des mitgliederstärksten Landesverbandes der SPD ist. Bei den NRW-Genossen hatte Scharping immer stärkeren Rückhalt, auch in Mannheim noch wollten ihn viele halten.

In der Fraktion wiederum wird neben dem Funktionsargument innerhalb der Regierung auch die Zeit mit Scharping als Fraktionschef angeführt, in der er verlässlich war und politisch glaubwürdig. Die "Seeheimer", der Zusammenschluss der konservativeren Abgeordneten in der Bundestagsfraktion unter Führung von Reinhold Robbe und Karl Hermann Haack, haben Scharping immer als einen der Ihren gesehen und gestützt.

So auch jetzt. Nachfolger Struck ist außerdem Niedersachse, wie Schröder. Das garantiert gewissen Einfluss. In Rheinland-Pfalz hat Kurt Beck für Scharping geworben, ein alter Weggefährte, der von ihm das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Für die ostdeutschen Landesverbände ist Wolfgang Thierse da, außerdem Manfred Stolpe. Hinzu kommt, dass alle "Gremienpolitiker", deren Ausstrahlung so ist wie einst die von Scharping, der auch den langen Marsch durch alle Partei-Institutionen absolvierte, für ihn sind. Damit überwog zur Parteitags-Eröffnung stimmungsmäßig, aber auch rechnerisch die Anzahl der Delegierten, die ihn wählen wollten. Sie taten es mit einer Mehrheit, die für sie gerade noch vertretbar war.

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