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SPD-Parteitage: Entschlossen geschlossen

Kurt Beck und Frank-Walter Steinmeier beschwören die SPD: Zusammenhalten und stolz sein

Der hohe Gast, den die Niedersachsen-SPD bei ihrem Landesparteitag erwartet, wird Stunden vorher als ein Putschist angekündigt. Online-Dienste vermelden, der SPD-interne Machtkampf könne in einem Versuch der Anhänger von Außenminister Frank-Walter Steinmeier enden, den glücklosen Vorsitzenden Kurt Beck zu stürzen. Das spricht sich rasch herum bei den Delegierten. Alles nur Gerüchte?

Als Steinmeier am Nachmittag erscheint, wird er von den Anwesenden mit stürmischem Applaus begrüßt, der ganze Saal erhebt sich von den Sitzplätzen. Wird hier nun der Retter der Sozialdemokratie willkommen geheißen? Hauke Jagau, Regionspräsident von Hannover, hatte ihn immerhin vor dem Mikrofon schon als „nächsten Kanzlerkandidaten“ bezeichnet. Noch vor der Rede des Ministers bemüht sich Generalsekretär Hubertus Heil, derartige Erwartungen zu dämpfen. Allen Meldungen und Gerüchten zum Trotz bleibe es bei dem angekündigten Fahrplan zur Kanzlerkandidatenfrage, betont er und verweist auf „gemeinsame Verabredungen“.

Doch Steinmeier, der in Niedersachsen an Gerhard Schröders Seite politisch aufgestiegen war, tritt in ungewohnter Rolle auf. Man kennt von ihm das ruhige und langsame, monotone Vortragen, das bestens zu internationalen Fachkonferenzen passt. Hier aber wirkt er ganz, als wäre er schon Kanzlerkandidat im Wahlkampf, legt das Jackett ab und kommt beim Reden in Fahrt. Seine Stimme klingt immer noch monoton, doch sie ist laut. Er schreit fast. Immer wieder ruft er „liebe Genossinnen und Genossen“, und in verschiedenen Facetten hat er eine einzige Botschaft an die Partei: „Die SPD muss wieder auf sich stolz sein.“

Steinmeier spricht von den alten Zeiten, als Friedrich Ebert, Otto Wels oder später Kurt Schumacher die Partei geprägt hatten, und er zieht eine Parallele zum Fußball: „Nehmen wir uns ein Beispiel an der Nationalmannschaft: Die vergeigt auch mal ein Spiel. Aber wenn es drauf ankommt, wird gekämpft, und dann kann auch ein Wunder geschehen.“ Dazu aber müsse nun „Schluss sein mit Flügelschlagen und persönlichen Eitelkeiten – das geht uns doch allen auf den Wecker.“ Die SPD, sagt der Außenminister, habe in den vergangenen Tagen „kein gutes Bild abgegeben“. Jetzt müsse man sich „gemeinsam unterhaken“ und „sich zusammenreißen“. Starker Beifall ertönt, die Delegierten hören die Botschaft gern.

Aber nicht alles, was Steinmeier sagt, kommt hier gut an. In der Passage über die Altersteilzeit verteidigt er die Rente mit 67 – und bekommt als Antwort ein auffällig lautes Gemurmel, aber kaum Beifall. Als er Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lobt, der bei der Klimapolitik „im Unterholz der Entscheidung arbeitet“, wird im Saal teilweise laut gelacht. Viele hier verübeln Gabriel, dem Chef des SPD-Bezirks Braunschweig, dass er in vielen anderen Parteifragen im Untergrund wirke und die Strippen ziehe.

So wenig, wie Steinmeier trotz des betont freundlichen Empfangs hier in Hannover die ungeteilte Zustimmung der Delegierten hat, so umstritten bleibt auch der SPD-Landesvorsitzende Garrelt Duin aus Ostfriesland. Er hat eine kämpferische Rede gehalten – doch dann, bei der Wiederwahl, bleibt das Ergebnis sehr mager: Er erhält nur 75,9 Prozent der Delegiertenstimmen.

Am Ende stehen die Genossen auf, um einem zu applaudieren, dem in letzter Zeit kaum noch Beifall zu Teil geworden ist. Minutenlang darf sich Kurt Beck, umstrittener Vorsitzender der SPD, am demonstrativen Zuspruch der Berliner Sozialdemokraten erfreuen. Vierzig Minuten hat er im Kongresszentrum am Alexanderplatz zu den Delegierten des Landesparteitags gesprochen, kämpferisch und vergleichsweise prägnant. Es war eine Rede die sich nicht nur an die Hauptstadt-SPD, sondern an die gesamte Partei richtete, Ansprache an eine SPD in der Krise.

Ihr Mut zu machen, die Reihen zu schließen und sich dabei selbst Rückhalt zu verschaffen, war Becks erkennbares Ziel. Gleich zu Beginn rief er die Genossen auf, sich „nicht von irgendwelchen Stimmungen anstecken zu lassen“. Aufgabe der SPD sei es zu gestalten. Als große Partei mit großen Aufgaben habe die Sozialdemokratie allen Grund zum Selbstbewusstsein. Die SPD dürfe sich nicht einreden lassen, das Diskussionen in der Sache mit Zerstrittenheit gleichzusetzen seien.

Als eine zentrale Aufgabe für die SPD nannte Beck „die Konzentration unserer Kräfte auf Kinder, Bildung und Familie“. Unter großem Beifall erteilte er in diesem Zusammenhang Studiengebühren eine Absage und prangerte die mangelnde Chancengerechtigkeit in Deutschland an. Es sei eine „verheerende Ungerechtigkeit“, dass nur 20 Prozent der Kinder aus Arbeitnehmerfamilien eine Hochschule besuchten, während es in Akademikerfamilien 80 Prozent seien. Der gerechte Zugang zur Bildung sei der Grundgedanke des vorsorgenden Sozialstaats, fügte er hinzu.

Mit Blick auf das schwierige Verhältnis seiner Partei zur Agenda 2010 bekannte sich Beck im Grundsatz zu Reformkurs der Ära Schröder, betonte aber zugleich die Notwendigkeit, Belastungen für die Betroffenen abzufedern. Die SPD müsse sich auch um die Sorgen und Nöte der Menschen kümmern. Mit dem Hamburger Parteitag sei der Rückwärtsblick auf den Agendaprozess abgeschlossen, erklärte Beck. Im Hamburg hatte die SPD gegen den Willen des damaligen Vizekanzlers Franz Müntefering unter anderem eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I beschlossen und die Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Vorgängerregierung damit an einem umstrittenen Punkt korrigiert.

Beck beendete seine Rede mit Geschlossenheitsappellen, wie sie von ihm auch auf der Sitzung von Parteivorstand und Parteirat am Montag im Willy- Brandt-Haus sowie auf der letzten Sitzung der Bundestagsfraktion vor der Sommerpause am Dienstag erwartet werden. Auch der mutmaßliche SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier will vor der Fraktion um Geschlossenheit werben. Die SPD-Führung hofft, auf diese Weise eine Personaldiskussion während der Parlamentsferein zu verhindern.

Vor den Berliner Genossen sagte Beck am Samstag, die Kandidatenfrage werde zur richtigen Zeit entschieden. Die SPD habe dann gute Chancen auf einen Wahlsieg 2009 im Bund, wenn sie wisse, was sie wolle, für wen sie da sei und dass sie nur gemeinsam Erfolg haben könne. „Bitte denkt daran“, rief Beck als letzten Satz: „Miteinander ist viel schöner als Gegeneinander.“

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