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Rentnerdemo in Deutschland. Treten ältere Menschen vornehmlich für ihre eigenen Interessen ein?

© dpa/Stephanie Pilick

SPD und FDP weisen CDU-Vorstoß zurück : Linnemann will Rentner steuerfrei verdienen lassen

CDU-Generalsekretär für 2000 Euro steuerfreien Zuverdienst im Monat. SPD: „Vorschlag bevorzugt Professoren und Anwältinnen.“ Linke: „CDU-Konzept soll Menschen an Maloche bis zum Tode gewöhnen.“

SPD und FDP weisen den Ruf der CDU nach einem steuerfreien Einkommen für Rentner von bis zu 2000 Euro im Monat zurück. Von den Linken kommt ebenfalls Kritik. Ein solches Modell „käme vor allem ohnehin schon gut situierten Seniorinnen und Senioren zugute“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt dem Tagesspiegel: „Es ist aber weder ein gerechter Vorschlag noch ist es ein wirksamer Vorschlag im Kampf gegen den Fachkräftemangel.“

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte am Freitag seinen Vorschlag für eine „Aktivrente“ mit der Vorlage eines Rechtsgutachtens untermauert. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und weiterarbeitet, soll bis zu 2000 Euro pro Monat steuerfrei dazuverdienen können. Linnemann sagte: „Lasst uns das einfach mal zwei Jahre ausprobieren.“

SPD: „Vorschlag begünstigt Professoren und Anwälte“

Schon jetzt seien die Anreize hoch, über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten, sagte SPD-Politikerin Schmidt. Wer ohne Rente zu beziehen weiter arbeiten möchte, erhalte sechs Prozent mehr Rente für jedes weitere Jahr. Schon jetzt fielen bei niedriger Rente und geringem Hinzuverdienst keine oder nur geringe Steuern an.

„Der Vorschlag bevorzugt Professoren und Anwältinnen und benachteiligt diejenigen, die jahrzehntelang körperlich schwer gearbeitet haben, wie zum Beispiel Dachdecker oder Krankenpflegerinnen. Diese schaffen es teilweise körperlich nicht, bis zu ihrem Renteneintritt zu arbeiten“, sagte Schmidt. Für ein gutes Leben von der Rente brauche es einen „armutsfesten Mindestlohn und gute Tariflöhne. Die Union sollte endlich aufhören, Scheindebatten zu führen, und mit uns gemeinsam dafür sorgen, dass jeder und jede von ihrer Arbeit gut leben kann.“

FDP: Vorschlag verkompliziert das ohnehin komplizierte Steuerrecht

Der FDP-Arbeitsmarktpolitiker Carl-Julius Cronenberg äußerte sich ebenfalls ablehnend. „Anreize zur Beschäftigung von Vollrentnern sind vernünftig“, sagte er dem Tagesspiegel. Warum Linnemann aber „ausgerechnet ein Instrument vorschlägt, das Millionen von Beschäftigten, zum Beispiel Handwerkern, nie zur Verfügung stehen wird und zudem das ohnehin komplizierte Steuerrecht weiter verkompliziert, erschließt sich nicht.“ Besser sei es, zunächst arbeitsrechtliche Hürden aus dem Weg zu räumen, sagte Cronenberg. Außerdem stellte er die Frage, warum „Arbeitgeber den Arbeitgeber-Anteil zur Rentenversicherung weiterzahlen müssen, wenn der Beschäftigte keine zusätzlichen Ansprüche erwirbt“.

Linke: „Es gibt ein Recht auf Ruhestand“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Tagesspiegel, wer als Rentner arbeiten wolle, solle das tun: „Das CDU-Konzept der Aktivrente soll allerdings auch dazu dienen, die Menschen an die Maloche bis zum Tode zu gewöhnen. Es gibt ein Recht auf Ruhestand.“ Wichtiger als Steuerfreiheit für Erwerbseinkommen von Rentnern wäre es, „die Renten zum 1. Januar 2024 außerordentlich und zusätzlich um zehn Prozent zu erhöhen“. Das Rentenniveau solle erhöht und die Rentenbesteuerung für kleine und mittlere Renten gestoppt werden, sagte Bartsch: „Rentner, die freiwillig arbeiten, sollten allerdings hohe steuerliche Freigrenzen haben. Das wäre gerade angesichts des Fachkräftemangels vernünftig.“ 

Die CDU will ihren Vorschlag in ihrem nächsten Wahlprogramm verankern. Er solle dem Fachkräftemangel begegnen. Es sei in Deutschland „fast schon eine Tradition, dass man von 100 auf 0 geht, dass, wenn man in Rente ist, man dann sofort komplett aufhört zu arbeiten“. Dabei wollten viele Menschen laut Umfragen im Fall von Steuervergünstigungen freiwillig länger arbeiten.

Steuerrechtler Kirchhof: „Vereinfachung des Steuerrechts“

Der Augsburger Steuerrechtler Gregor Kirchhof, der den Vorschlag im Auftrag der CDU untersucht hatte, sagte: „Dieser Vorschlag führt im Alter zu einer Vereinfachung des Steuerrechts.“ Er sei zudem verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und steuersystematisch zu begründen. Heute fielen höhere Steuersätze an, wenn man neben der Rente ein Arbeitseinkommen beziehe. Der Gesetzgeber könne die Doppelbelastung durch die Besteuerung der Altersvorsorge und der Erträge durchaus reduzieren.

Bereits heute müssen die Menschen, die das reguläre Rentenalter erreichen, nicht automatisch in Rente gehen. Sie können unbegrenzt hinzuverdienen. Wer weiterarbeitet, erhält für jeden Monat einen Zuschlag von 0,5 Prozent auf seine Rente. Doch bei Überschreiten des Grundfreibetrags von 10.908 Euro im Jahr durch Rente und Hinzuverdienst fallen auch für diesen Betrag Steuern an.

Linnemann warf der Bundesregierung vor, sich im Kampf gegen den Fachkräftemangel zu wenig um zusätzliche Beschäftigte aus Deutschland zu bemühen und stattdessen vor allem auf Fachkräftezuwanderung zu setzen.

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