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Politik: SPÖ regiert notfalls allein

Konservative ÖVP steigt aus den Wiener Koalitionsverhandlungen vorerst aus

Am Sonntagmittag hat Österreichs Noch- Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die nächste Runde im Koalitionspoker mit den Sozialdemokraten (SPÖ) eingeleitet. Wie es derzeit aussieht, dürfte es wohl das letzte Blatt gewesen sein, dass Schüssel dabei auf den Tisch geworfen hat. In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz erklärte er, dass seine konservative Volkspartei (ÖVP) nicht mehr an Verhandlungen teilnehmen wird, solange die beiden parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum Kauf der Eurofighter und den Turbulenzen am Bankenplatz Österreich tagen. SPÖ, Grüne und Freiheitliche hatten die Untersuchungsausschüsse eingesetzt.

Der Clou an der Sache: Die beiden Ausschüsse wurden erst am vergangenen Montag vom Parlament beschlossen. Zwar erklärten Schüssel und sein geschäftsführender Fraktionschef Wilhelm Molterer am Sonntag, dass man bei gutem Willen mit der Arbeit bis Ende des Jahres fertig sein und dann im Januar mit den Koalitionsverhandlungen fortfahren könne. Doch selbst ÖVP-Mitarbeiter glauben, dass ein solcher Zeitplan unmöglich einzuhalten ist. Untersuchungsausschüsse dauern in Österreich in der Regel zwischen einem und drei Jahren. Und selbst wenn die beiden Ausschüsse im Schnellverfahren durchgezogen werden – in weniger als sechs Monaten dürften sie kaum mit ihrer Materie fertig werden.

Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass Bundespräsident Heinz Fischer so lange warten will, bis ernsthafte Regierungsverhandlungen stattfinden. Noch unwahrscheinlicher ist, dass der Wahlsieger, SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, so lange warten wird. Und daher ist seit Sonntagmittag vor allem eines klar: Österreich wird in Zukunft definitiv nicht von einer großen Koalition regiert werden.

Die SPÖ, die die Wahl vor fünf Wochen gewonnen hatte, verfügt nicht über allzu viele Möglichkeiten: Dass sie mit den Verhandlungen abwartet, bis die Ausschüsse vorbei sind, gilt als unwahrscheinlich. Dass die SPÖ offiziell Verhandlungen mit einer anderen Partei aufnimmt, wird ebenfalls ausgeschlossen. Eine Möglichkeit wäre, dass Gusenbauer den Regierungsbildungs-Auftrag an Präsident Heinz Fischer zurückgibt, der Schüssel mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Auch das wird der SPÖ-Vorsitzende wohl kaum machen. Bleibt nur noch eine Möglichkeit: Gusenbauer schlägt, gestützt auf einen Beschluss des SPÖ-Präsidiums, die Bildung einer roten Minderheitsregierung vor. Selbst in der Noch-Kanzlerpartei ÖVP wird das als realistischste Variante gehandelt. Allerdings hatte Fischer jüngst wiederholt gesagt, dass er sich eine große Koalition wünsche. Ein Druckmittel hat er freilich nicht.

Und darum heißt es sowohl aus SPÖ als auch aus ÖVP, dass der Präsident wohl noch vor Weihnachten eine rote Minderheitsregierung vereidigen wird. Diese hätte wohl bis Mitte 2007 eine Chance, unbeschadet zu regieren. Dann muss ein neues Budget beschlossen werden, für das sie kaum eine Mehrheit im Parlament bekommen dürfte. Im Juni würde es dann wohl zu Neuwahlen kommen. Und das wäre auch der Zeitpunkt, zu dem die beiden Ausschüsse einigermaßen vernünftig ihre Arbeit abgeschlossen hätten.

Markus Huber[Wien]

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