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Sri Lanka: Die Rückkehr der Tiger

Colombo steht nach Angriffen der Tamilen-Rebellen unter Zugzwang, die Zivilisten zwischen den Fronten.

Seit Monaten gefällt sich Sri Lankas Regierung in Siegerpose. Der Krieg gegen die Tamilen-Rebellen sei zu 95 Prozent gewonnen, brüstete man sich schon zu Jahresanfang. Doch nun meldeten sich die „Tiger“, wie sie sich selbst titulieren, im Herzen des Feindes zurück. Am Freitagabend schickte Guerilla-Chef Velupillai Prabhakaran zwei Kamikaze-Flieger gen Colombo los. Alarm wurde ausgerufen, der Strom wurde abgeschaltet, die Hauptstadt am Meer versank im Dunkeln. Verschreckte Touristen kauerten in den Hotels auf dem Boden.

Die Selbstmord-Attacke ging glimpflich ab. Eine der viersitzigen Propellermaschinen wurde über dem Flughafengelände abgeschossen, die andere stürzte in die Steuerbehörde. Zwei Menschen starben. 53 wurden verletzt. Aber der Überraschungsangriff zeigt, dass die LTTE den Krieg immer noch ins Gebiet des Feindes tragen kann. Die Armee mag die Rebellen in die Ecke gedrängt haben, geschlagen geben sich diese noch nicht. Sie greifen wieder zu jenen Waffen, die sie am besten beherrschen: Guerilla-Krieg und Selbstmordanschläge.

Insgesamt acht Luftangriffe hat die junge „Luftwaffe“ der LTTE seit März 2007 geflogen. Ein militärischer Erfolg – wie die LTTE stolz verkündete – war die offenbar vom 11. September 2001 inspirierte Attacke zwar kaum. Die mit Sprengstoff beladenen Klein-Maschinen verfehlten ihre Ziele, das Hauptquartier der Luftwaffe und einen Stützpunkt am Flughafen. Die LTTE verlor beide Flugzeuge, die sie mühselig in Einzelteilen nach Sri Lanka geschmuggelt und zusammengebaut hatte.

Trotzdem bleibt das Kamikaze-Kommando für die Regierung blamabel. Sie hatte getönt, alle Start- und Landebahnen der LTTE besetzt zu haben. Verteidigungsminister Gotabhaya Rajapakse bemühte sich, den Angriff kleinzureden. Die Flugzeuge seien womöglich von einer Straße im Rebellengebiet gestartet, sagte der Bruder von Staatspräsident Mahinda Rajapakse der Zeitung „The Island“. Das Militär sei darüber informiert gewesen und habe die Route gekannt. Warum die Attentäter nicht schon früher aufgehalten wurden, sagte er nicht.

Beobachter fürchten nun einen Gegenschlag. Eigentlich hatte das Militär den seit 25 Jahren dauernden Bürgerkrieg bereits bis Ende 2008 beenden wollen. Zwar hat die Armee inzwischen weite Teile des Rebellengebietes zurückerobert und 50 000 Soldaten haben die LTTE auf einem 87 Quadratkilometer großen Dschungelstück an der Nordostküste der Insel eingekesselt. Doch die Guerillakämpfer wehren sich verbissen.

Der Druck auf die Regierung wächst, den Krieg endlich zu entscheiden. Es gibt Gerüchte, dass sie die Kriegszone mit Bombenteppichen überziehen will. Beobachter fürchten ein Blutbad. Die Vereinten Nationen warnten Regierung und Rebellen vor einer blutigen Entscheidungsschlacht. Täglich würden bereits viele Zivilisten getötet, sagte der UN-Vertreter John Holmes am Samstag zum Abschluss eines Besuchs in dem Inselstaat.

Helfer schätzen, dass 200 000 tamilische Zivilisten zwischen den Fronten gefangen sind. Die LTTE benutzt sie als lebende Schutzschilde. „Sie schießen auf jene, die versuchen zu fliehen, und zwangsrekrutieren immer mehr Menschen“, schreibt die Organisation Human Rights Watch (HRW). Umgekehrt gehe auch die Regierung immer brutaler vor. „Die sri-lankischen Streitkräfte bombardieren Krankenhäuser und sogenannte Sicherheitszonen und schlachten die Zivilisten dort ab.“ Allein im Januar seien 2000 Flüchtlinge getötet und 5000 verletzt worden.

Selbst wenn die Regierung am Ende die LTTE auf dem Schlachtfeld schlagen kann, ist Friede nicht in Sicht. Zumal die singhalesische Regierung mit ihrem brutalen Vorgehen gegen die tamilischen Flüchtlinge den Konflikt anheizt.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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