zum Hauptinhalt

Staatshaushalt: Bundestag berät über Rekord-Verschuldung

85 Milliarden Euro: So viel Schulden muss Deutschland 2010 aufnehmen. In Berlin beginnen die Beratungen über den ersten Etat-Entwurf der schwarz-gelben Regierung.

Koalition und Bevölkerung müssen sich ab dem kommenden Jahr auf massive Sparmaßnahmen der Regierung einstellen. Dies machte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu Beginn der viertägigen Haushaltsberatungen deutlich. Anders könne man die Rekord-Neuverschuldung von 85 Milliarden Euro nicht begleichen.

Schäuble sagte, die Etatsanierung könne nicht mit herkömmlichen Haushaltsmaßnahmen bewältigt werden. Die Aufgabe werde von Jahr zu Jahr größer. Notwendig seien "schwerwiegende Entscheidungen" sowie Einschnitte auch bei gesetzlichen Leistungen. "Aber", so fügte Schäuble hinzu, "das muss dann auch gründlich Schritt für Schritt bedacht, öffentlich diskutiert und so begründet werden." Details ließ er erneut offen.

Der Finanzminister ermahnte seine Kabinettskollegen, diese Maßnahmen gründlich vorzubereiten und nicht öffentlich zu zerreden. "Wir dürfen den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen, wenn wir nicht ins Stolpern geraten wollen." Mit diesen Äußerungen blieb Schäuble seiner Linie treu: In den vergangenen Wochen hatte er die Koalition auf eines der größten Sparpakete vorbereitet – allein um die Vorgaben der Schuldenbremse und des EU-Stabilitätspaktes einzuhalten. Als Ressortchef muss er zwischen 2011 bis 2016 jedes Jahr 10 Milliarden Euro einsparen, um das Struktur-Defizit, die um Konjunktureinflüsse bereinigte Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, gemäß der Schuldenbremse abzubauen. 

In diesem Zusammenhang ging er während seiner Rede vor dem Bundestag mit keinem Wort auf die von der Koalition geplanten weiteren Steuersenkungen von bis zu 19,5 Milliarden Euro im Jahr ein. So ließ er auch diesmal offen, wie Steuersenkungen finanziert werden. Das Volumen von jährlich 19,5 Milliarden Euro würde den Bund 10 Milliarden kosten.

Gleichwohl verteidigte Schäuble die für 2010 geplante Rekord-Neuverschuldung von fast 86 Milliarden Euro. Der Etatentwurf sei geprägt von den Erschütterungen in Folge der Wirtschaftskrise sowie des tiefsten Wirtschaftseinbruchs in der Nachkriegszeit. Die Konjunktur-Aussichten hätten sich zwar wieder spürbar aufgehellt. Die Unsicherheit über die künftige Entwicklung sei aber noch groß. "Deshalb bleibt es richtig, dass wir weiter auf Sicht fahren müssen", sagte er. "Wir befinden uns tatsächlich noch in einer ernsten und beispiellosen wirtschaftlichen Gesamtsituation." Dies gelte auch für den Arbeitsmarkt: Für 2010 und 2011 müsse von einem Anstieg der Arbeitslosigkeit ausgegangen werden. Es sei aber zu hoffen, dass er weniger dramatisch ausfalle als früher.

In der folgenden Debatte kritisierte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß, Schäuble habe nur eine pathetische Rede gehalten, aber "null Antworten" über die Strategie gegeben. "Ihnen fehlt die klare Orientierung." Die Opposition warf Union und FDP generell Klientelpolitik vor und forderte, den künftigen Sparkurs bereits jetzt offenzulegen und nicht die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai abzuwarten.

Der Grünen-Finanzexperte Alexander Bonde kritisierte, der Haushalt verstoße gegen das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Eine derart hohe Verschuldung sei nicht abbaubar, besonders, "wenn man gleichzeitig die Einnahmeseite kaputt macht". Der FDP warf er vor, sie verstehe zwar etwas von "Vetterle-Wirtschaft", aber nicht von Wirtschaft. Die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch nannte den Etatentwurf Schäubles einen "Haushalt von Lobbyisten für Lobbyisten" und warf Schwarz-Gelb eine "Umverteilung von unten nach oben" vor.

Noch bis Freitag beraten die Abgeordneten über die Budgetplanungen der schwarz-gelben Regierungskoalition. In 17 Einzeldebatten werden die Etats der Ministerien unter die Lupe genommen. Höhepunkt ist die Aussprache über den Kostenplan des Kanzleramtes am Mittwochmorgen, wo SPD, Grüne und Linke erneut die Gelegenheit haben, ihr Urteil über die Politik der Bundesregierung zu sprechen.

Der erste Etatentwurf von Union und FDP steht ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise. Das Budget sieht Ausgaben in Höhe von 325,4 Milliarden Euro vor. Das sind gut sieben Prozent mehr als 2009. Hinzu kommt eine Neuverschuldung in Rekordhöhe: Weil die Steuereinnahmen wegen der Krise sinken, werden die Ausgaben mit zusätzlichen Krediten von 85,8 Milliarden Euro gedeckt. Das ist mehr als das Doppelte des Schuldenrekords aus dem Jahr 1996. Der Umfang neuer Kredite könnte noch auf bis zu 100 Milliarden Euro steigen, wenn man die zusätzlichen neuen Schulden für das zweite Konjunkturpaket und den Banken-Rettungsfonds einbezieht.

Im Anschluss an die Beratungen im Bundestag wird der Haushaltsentwurf an die Fachausschüsse überwiesen, dann erneut vom Bundestag debattiert und schließlich beschlossen. Wegen der Bundestagswahl im Herbst hatte sich das Verfahren verzögert. Deshalb gilt seit Jahresbeginn eine vorläufige Haushaltsführung und zwar so lange, bis der reguläre Etat in Kraft treten kann. Dies wird voraussichtlich Mitte März der Fall sein.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters, AFP

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false