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Staatshaushalt: Großbritannien lernt Sparen

Die britische Regierung hat zur Sanierung des stark defizitären Staatshaushalts das härteste Sparprogramm seit Jahrzehnten angekündigt. Wie werden die Briten das zu spüren bekommen?

Es ist eine Mammutaufgabe. Großbritanniens Schatzkanzler George Osborne will das riesige britische Defizit von zwölf Prozent des Nationaleinkommens in nur vier Jahren auf ein wirtschaftlich vernünftiges Maß reduzieren. Er hat die apokalyptischen Warnungen von Kritikern in den Wind geschlagen, die ihm vorwerfen, er werde die Wirtschaft ruinieren und das soziale Gefüge des Landes ins Wanken bringen. Osborne sieht es anders: „Dies ist der harte Weg zu einem besseren Großbritannien“, sagte er am Mittwoch im britischen Parlament.

Fast 500 000 Staatsbedienstete werden in den nächsten Jahren ihren Job verlieren. Allein 14 000 Stellen sollen zum Beispiel im Bereich des Justizministeriums eingespart werden – hauptsächlich Gefängniswärter, denn die Zahl der Gefängnisplätze wird um rund 10 000 reduziert. Am Dienstag hatte Premierminister David Cameron bereits Einschnitte im Verteidigungsetat verkündet, die zeigen, wie dramatisch vorgegangen wird: Insgesamt werden 45 000 Stellen gestrichen, darunter die Arbeitsplätze von 25 000 Zivilisten, die im Auftrag des Verteidigungsministeriums arbeiten. Selbst Luftwaffenpiloten, die gerade noch in Afghanistan Einsätze geflogen sind, werden voraussichtlich von heute auf morgen arbeitslos. Insgesamt belaufen sich die Kürzungen bei der Armee auf acht Prozent nach Kaufkraftausgleich.

Aber das ist noch vergleichsweise milde. Sorgen, Großbritanniens Rolle in der Welt könnte unterminiert werden, hatten die ursprünglich geplanten Streichungen in Höhe von 20 Prozent verhindert. Durchschnittlich werden in den einzelnen Ressorts, mit Ausnahme der vom Sparen verschonten Etats für Gesundheit, Entwicklungshilfe und Forschung, 19 Prozent der Mittel gestrichen.

Studenten zum Beispiel müssen in Zukunft das Studium weitgehend selbst bezahlen. Subventionen für Busse und Bahnen werden drastisch gesenkt. Dafür werden die Fahrkartenpreise in den kommenden vier Jahren wohl um bis zu 30 Prozent steigen. Auch die Zuwendungen an die Gemeinden sinken um 30 Prozent, beim Innenministerium werden 23 Prozent gespart – unter anderem auf Kosten der Polizei. Am einschneidensten sind die Kürzungen im Sozialhaushalt. Der Etat für Wohnzuschüsse beispielsweise wird um fünf Milliarden Pfund gekürzt. Das Kindergeld wurde für Besserverdienende gestrichen, das Rentenalter wird bis 2020 auf 66 Jahre angehoben. Insgesamt werden 18 Milliarden Pfund aus dem 190-Milliarden-Budget für Soziales gestrichen – Geld, das laut Osborne besser in wachstumsfördernde Maßnahmen wie den Ausbau der Infrastruktur investiert werden kann.

Osborne hat auch eine Obergrenze für die Summe aller Sozialhilfeleistungen festgelegt. Eine Familie, in der niemand arbeitet, darf demnach nicht mehr Geld durch Zuschüsse erhalten als es dem Durchschnittseinkommen einer arbeitenden Familie entspricht.

Die abgewählte Labour-Partei hält diese Rotstiftpolitik gefährlich. „Werden die Sparmaßnahmen widerrufen, wenn sie zum Anstieg der Arbeitslosigkeit führen?“, fragte der neue Labour-Chef Ed Miliband im Unterhaus. Premierminister Cameron und Schatzkanzler Osborne wiederum schieben die Kürzungen der angeblichen Misswirtschaft durch die Labour-Regierung in die Schuhe.

Ihrer Ansicht nach kann sich die britische Wirtschaft erst dann dauerhaft erholen, wenn der Haushalt wieder ins Lot kommt. Das Haushaltsdefizit, das 2005 noch 31 Milliarden Pfund betrug, liegt zurzeit bei 152 Milliarden Pfund im Jahr. Die Gesamtverschuldung hat sich in den vergangenen vier Jahren fast verdoppelt und wird demnächst die Billionengrenze übersteigen. 44 Milliarden Pfund müssen die Briten allein für Schuldenzinsen bezahlen – und dieser Betrag steigt, trotz der Sparmaßnahmen, bis 2014 auf 64 Milliarden Pfund.

Das ist die Schuldenspirale, aus der sich Osborne mit dem gewaltigen Sparakt befreien will. Das jährliche Defizit soll bis 2014/15 von 150 auf 38 Milliarden Pfund abgebaut werden – 83 Milliarden Pfund durch Kürzungen, 29 Milliarden Pfund durch Steuererhöhungen. „Es hat nichts mit Fairness zu tun, wenn wir zukünftigen Generationen Schulden aufbürden, die wir selber nicht zu zahlen bereit sind“, sagt Osborne.

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