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Politik: Staatspflichten-Charta: Italiens Parlamentspräsident Violante macht sich für Menschenrechte stark (Interview)

Luciano Violante (59) ermittelte als Staatsanwalt in Italien zuerst gegen Linksextremisten und später auch gegen rechtsterroristische Täter sowie gegen Geheimdienstler. Seit 1979 ist Violante Abgeordneter.

Luciano Violante (59) ermittelte als Staatsanwalt in Italien zuerst gegen Linksextremisten und später auch gegen rechtsterroristische Täter sowie gegen Geheimdienstler. Seit 1979 ist Violante Abgeordneter. Von 1992 bis 1994 leitete er die Anti-Mafia-Kommission des Parlaments. Seit 1996 steht er der Deputiertenkammer als Präsident vor.

Seit Anfang dieses Jahres haben Sie bei verschiedenen Gelegenheiten die Einführung einer "Charta der Pflichten von Staaten gegenüber ihren Bürgern" gefordert. Welche Erwägungen liegen dieser Idee zugrunde?

Zwei Hauptüberlegungen: Nach UN-Einschätzung geschehen weitaus die meisten Menschenrechtsverletzungen durch jene Staaten, denen diese Menschen angehören: also nicht durch äußere Feinde, sondern durch den Staat, der eigentlich die Pflicht hat, sie zu schützen. Zweitens: Wir sind heute an einem Punkt der Globalisierung angekommen, wo sich auch die Globalisierung von Techniken des menschlichen Zusammenlebens als unerlässlich erweist. Wir müssen, entschuldigen Sie das Wortspiel, "die Globalisierung globalisieren". Diese beiden Erwägungen haben mich zu dem Gedanken einer Charta der Pflichten der Staaten veranlasst: sie muss eine Garantie für das tägliche Leben darstellen.

Aber gehen diese Pflichten nicht einfach aus den Menschenrechten, wie sie die UN definiert, hervor? Sie sind doch dem Staat gegenüber einklagbar.

Eigentlich sollte es so sein, aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Wenn man nach den Menschenrechten fragt, heißt es gerne: dieses Menschenrecht haben wir verletzt, dafür halten wir das andere ein. Wir sind aus dem Zweiten Weltkrieg mit einer Charta von Rechten hervorgegangen, die sich an die Bürger dieser Erde richtet. Wir wissen heute, dass dies nicht genügt. Diese Rechte müssen dadurch verstärkt werden, dass auf der anderen Seite, der des Staates, richtiggehende Pflichten festgelegt werden. Wir müssen vereinbaren, welches die vier oder fünf elementaren Punkte sind, die den Grad der Zivilisation eines Staates bedingen. Dabei muss nicht jedes einzelne Menschenrecht in der Charta der Pflichten widergespiegelt werden. Es geht um eine Handvoll zentraler Prinzipien

Und die wären?

Die Eckpunkte sind relativ einfach: Die Verpflichtung, dass der Staat seine Verurteilten nicht tötet; dass er seine Häftlinge nicht foltert; dass er eine bestimmte Quote seiner Finanzmittel für die Ausbildung und Bildung seiner Bürger bereitstellt; und dass er einen bestimmten Anteil seiner Ressourcen zum Schutz der Volksgesundheit einsetzt. Natürlich kann man noch die eine oder andere Pflicht hinzusetzen.

Wie soll eine solche Charta durchgesetzt werden?

Ich denke, wenn eine Reihe international angesehener Persönlichkeiten an die UN herantreten und fordern würde, sich diesen Vorschlag zu eigen zu machen, könnte man immerhin darüber zu diskutieren beginnen. Ich setze hier stark auf die öffentliche Meinung.

Sollten dann auch die UN über die Einhaltung wachen?

Sicher.

Wären dann auch Sanktionen vorstellbar für diejenigen, die die Charta, einmal ratifiziert, nicht einhalten?

Das Ziel ist nicht eine Verurteilung einzelner Staaten, sondern die Entstehung einer größeren Sensibilität für die Grundrechte der Menschen in der gesamten Welt. Wir müssen eine internationale Bewegung schaffen.

Denken Sie an eine Bewegung wie etwa Transparency International?

Viel konkreter. Transparency International baut ja nicht auf objektiven Fakten auf, sondern auf dem Gefühl, das Geschäftsleute über das Phänomen der Korruption in diesem oder jenen Land haben. Die Charta der Pflichten muss dagegen auf konkreten Fakten aufbauen.

Seit Anfang dieses Jahres haben Sie bei verschiede

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