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Politik: Stärke aus Souveränität

WAHL DES PRÄSIDENTEN

Von Hellmuth Karasek

Wir sind nicht schlecht gefahren mit unseren bisherigen Bundespräsidenten, von denen einer schmetternd hoch auf dem gelben Wagen saß, Walter Scheel, der das für wohltätige Zwecke tat, und ein anderer, Karl Carstens, Deutschland mit Knotenstock und knorrigem Elan erwanderte, freilich nur von Nord nach Süd, weil wir damals ein geteiltes Land waren.

Wir sind gut gefahren mit unseren Präsidenten, obwohl einer von ihnen, Heinrich Lübke, in seiner zweiten Amtszeit dazu verdammt war, immer gnadenloser die Ausfälle vorzuführen, die das Alter ihm zufügte. Wir hatten das Glück des Anfangs mit Theodor Heuss, dessen schwäbische Bonhomie und liberale Bildung angenehm zivil waren, ein Mann von großer Wirkung. Wir hatten das Glück mit Gustav Heinemanns hemdsärmelig bescheidener Bürgernähe. Mit dem Esprit und der mutigen und brillanten Analyse, wie wir uns mit Geschichte auseinander zu setzen hätten, die Richard von Weizsäcker lieferte – ein Präsident, der sich souverän von der parteipolitischen Herkunft löste. Wir hatten Glück mit Roman Herzogs Resolutheit, mit seinem schnörkellosen niederbayerischen Wesen und seinem ausgeprägten Verfassungsgefühl. Und schließlich mit der Entschiedenheit, mit der Johannes Rau den Parteien die Leviten gelesen hat, als es um das Zuwanderungsgesetz ging.

Denn es war gut, dass das Präsidentenamt, machtpolitisch gesehen, ein schwaches Amt ist. Der Präsident ist der höchste Notar des Staates, Redner zu feiertäglichen Anlässen und bei nationalem Bedarf, oberster Empfänger von Staatsgästen. Ein König ohne Krone und ohne wirkliche Macht – es sei denn die der Autorität, die er für sich erwirbt. Und das ist die schönste Form der Macht.

Nun aber ist, fast ein Jahr vor der Bundespräsidentenwahl, ein Gerede um das Amt ausgebrochen, als müsste es fast so dringlich renoviert werden wie das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Schon sind das Gerangel und Geraune um den nächsten Präsidenten, das Name Dropping und Schachfiguren-Schieben losgegangen. Und es ist der Eindruck entstanden, dass Johannes Rau eine erneute Kandidatur vom Ausgang der Bayern- Wahl abhängig mache.

Ein Reformvorschlag zielt in diese Richtung: warum nicht die Amtszeit auf eine begrenzen, die aber auf sieben Jahre verlängern. Darüber lässt sich reden. Denn in der Tat würde man den Präsidenten von der Parteienpolitik unabhängiger machen, weil er nicht auf die Wiederwahl schielen müsste. Und weil es stimmt, dass die Wahl des Präsidenten ein Parteiengeschäft ist und bleibt, wird vor allem wieder über eine Direktwahl der Präsidenten debattiert. Nicht mehr durch die repräsentative Bundesversammlung, sondern vom Volk direkt, plebiszitär, soll der Präsident gewählt werden.

So war es schon einmal, in Weimar. Und diese Republik ist an der Direktwahl eines Allmachtspräsidenten zerbrochen, dem man für Krisenzeiten auch das schärfste Schwert, das der Notverordnungen, in die Hand gab. Nicht nur daran. Auch an der Wirtschaftskrise. Und den Arbeitslosenheeren. Und an Demokratieverdrossenheit von Anfang an.

Wir sollten in Zeiten, die auf ähnliche Krisen deuten, aufhorchen und denken, dass die Grundgesetzväter gut beraten waren, aus Weimar zu lernen, den Staat nicht dem Machtspiel zwischen dem parlamentsgewählten Kanzler und dem volksgewählten Präsidenten auszusetzen – bei dem das Parlament das erste Opfer sein könnte.

Es ist auch kurz gedacht, ein mit derartiger Wahlkraft ins Amt Gehobener könnte sich mit seinen heutigen Befugnissen begnügen. Er wäre als Löwe gewählt und als Bettvorleger im Amt ausgestattet. Vertrauen wir lieber darauf, dass auch mit der jetzigen Methode eine Petra Roth oder ein Henning Scherf Chancen auf das Amt hätten! Es sind nämlich Menschen, die Ämter ausfüllen, nicht Wahlverfahren.

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