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Politik: Stasi-Akten: Ende einer Zweckgemeinschaft

Er hat sie vorgeschlagen, er hat sie in ihr Amt eingeführt, er hat ihre Hand gedrückt. Innenminister Otto Schily (SPD) hat der Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, viel Glück für ihre Arbeit gewünscht.

Er hat sie vorgeschlagen, er hat sie in ihr Amt eingeführt, er hat ihre Hand gedrückt. Innenminister Otto Schily (SPD) hat der Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, viel Glück für ihre Arbeit gewünscht. Das war am 11. Oktober 2000. Inzwischen ist die Beziehung gestört. Am Montag eskalierte der Streit um die Herausgabe von Stasi-Akten Prominenter. Birthler ließ ein Ultimatum Schilys verstreichen. Der hatte gefordert, alle Unterlagen von Personen der Zeitgeschichte zu sperren. Doch statt eine veränderte Herausgabe-Praxis zu verkünden, fuhr Birthler in den Urlaub. Ende einer Zweckgemeinschaft.

Zur Weihnachtszeit erreichte der Streit seinen ersten Höhepunkt. Helmut Kohl hatte gerade Klage gegen die Veröffentlichung seiner Stasi-Akte eingereicht, da erklärte Schily, dass Opferschutz wichtiger sei als Stasi-Aufklärung. Er forderte ein Moratorium, wonach bis zum Richterspruch keine Akten herausgegeben werden sollten. Doch zum Erstaunen des Ministers folgte ihm Birthler nicht. Schily, der die Dienstaufsicht über die Behörde inne hat, reagierte ungehalten. Am Heiligen Abend drohte er via Zeitungsinterview: "Frau Birthler ist nicht unabhängig von Gesetz und Verfassung."

Ein handfester Koalitionskrach deutete sich an. Die Grünen und SPD-Fraktionschef Peter Struck stärkten Birthler den Rücken. Und als die Akten-Hüterin einen besseren Opferschutz versprach, hatte sie auch den Innenausschuss des Bundestages auf ihrer Seite. Schily suchte nun die Entscheidung. Er schlug einen Obergutachter zur Schlichtung vor - allerdings einen, der seine Rechtsposition teilte. Dann beraumte er ein Sechs-Augen-Gespräch beim Kanzler an. Doch das Treffen am 11. Januar verlief nicht gut. Gerhard Schröder riet beiden Kontrahenten, verbal abzurüsten. Von Schilys Moratorium war keine Rede mehr. "Das war der Knackpunkt", heißt es aus Regierungskreisen, "da musste Schily erkennen, dass Birthler mehr Rückgrat hat, als er dachte." Von da an war Birthler für Schily nicht nur ein politisches Problem, sondern ein persönliches.

Der Streit ging weiter - hinter den Kulissen. Im März lehnte Schily Birthlers Personalvorschlag für einen neuen Behördendirektor ab. Seitdem hat Birthler nur einen kommissarischen Stellvertreter. Als Kohl nun vor dem Verwaltungsgericht die Sperrung seiner Stasi-Akte erzwang, fühlte sich Schily bestätigt. "Dem flogen vor Stolz die Knöpfe aus dem Hemd", erzählt ein Koalitionspolitiker. Schily forderte Birthler erneut auf, alle Stasi-Akten Prominenter zu schließen. Per Brief und Ultimatum. Doch Birthler bleibt renitent. Sie hofft, dass sich Schily durch seinen Stil selbst schadet. Die Grünen halten an ihrer Kandidatin fest. Auch Schröder dürfte über die Fehde nicht erfreut sein. Schily will nun einen zweiten Brief an Birthler schreiben und darin eine Lösung anbieten. Bis Dienstag soll das Schreiben fertig sein. Am Mittwoch ist Kabinettssitzung.

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