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Ministerpräsident Stefan Mappus.

© dpa

Stefan Mappus: "Wir brauchen mehr Streitlust"

"Ich hatte nur lodernde Feuer auf dem Schreibtisch." Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus sprach mit dem Tagesspiegel über Stuttgart 21, die Landtagswahl und das Profil der CDU nach Guttenbergs Rücktritt.

Herr Mappus, kann die Union jemanden wie Karl-Theodor zu Guttenberg ersetzen?

Er ist natürlich eine ganz eigene Persönlichkeit. Diese Melange aus jugendlichem Auftreten, herausragenden rhetorischen Fähigkeiten, aus Spontaneität und Verlässlichkeit, dazu der Glamour-Faktor des Adeligen, das Ganze noch im Gespann mit seiner Frau – das alles war einzigartig. Sein Rückzug ist für die Union ein Riesenverlust. Richtig ist aber auch, dass die Kanzlerin und CSU-Chef Horst Seehofer mit Thomas de Maizière und Hans-Peter Friedrich eine gelungene Lösung gefunden haben. Die Bundesregierung steht wieder gut da.

Glauben Sie an ein Comeback ?

Nach einer gewissen Zeit – wenn er es denn noch möchte – ist eine Rückkehr sicher möglich.

Wie viele Prozentpunkte wird Sie die Plagiatsaffäre bei der Landtagswahl in drei Wochen kosten?

Die Sache hilft uns nicht, das ist klar. Kurzfristig dämpft so etwas natürlich die Stimmung. Aber es wird uns am 27. März nach meiner Überzeugung nicht schaden. Ich bin mir sicher: Die Menschen spüren ganz genau, dass die Opposition das Thema für eine verlogene Kampagne missbraucht.

Was kann die Opposition dafür, dass Guttenberg seine Doktorarbeit abgekupfert hat?

Karl-Theodor zu Guttenberg hat einen großen Fehler gemacht, keine Frage. Aber er hat sich dafür entschuldigt und er hat die Konsequenzen gezogen. Dagegen ist ein Joschka Fischer im Amt geblieben, obwohl er Steine auf Polizisten geworfen hat. Herr Trittin und Frau Roth blockieren Castor–Transporte. Das zeigt doch, dass die Opposition mit zweierlei Maß misst. Auf so viel Scheinheiligkeit werden die Wähler in Baden-Württemberg nicht hereinfallen.

Es war doch nicht nur die Opposition, sondern am Ende vor allem die Bildungselite dieses Landes, die gegen Guttenbergs Verbleib im Amt Sturm gelaufen ist.

Das habe ich durchaus sehr ernst genommen, auch wenn sich einige Professoren sehr pointiert geäußert haben, um es zurückhaltend zu formulieren. Aber die Art, wie die Opposition meinte, Guttenberg attackieren zu sollen, stößt bei vielen Menschen auf große Ablehnung, da bin ich sicher.

Viele Wissenschaftler hat insbesondere die Äußerung der Kanzlerin erbost, sie habe mit Guttenberg keinen wissenschaftlichen Assistenten, sondern einen guten Politiker berufen. War das ein Fehler?

Angela Merkel hat sich zur exzellenten Arbeit des Ministers bekannt, ohne seinen Fehler wegzudiskutieren. Man lässt Menschen nicht eiskalt fallen, nur weil es opportun erscheint, wenn die Luft gerade mal dünn wird. Das zeichnet die Kanzlerin aus, und ich würde jemanden auch nicht gnadenlos fallenlassen.

Wissenschaftsministerin Annette Schavan, eine Vertraute Merkels, hat einen Tag vor Guttenbergs Rücktritt erklärt, sie schäme sich für ihn.

Lassen Sie mich es so sagen: Ich fand den zweiten Teil ihrer Aussage gelungener, nämlich, dass Guttenberg eine zweite Chance verdient hat.

Halten Sie Guttenbergs Rücktritt für falsch?

Das muss der Betroffene immer selbst beurteilen. Ich glaube, aus meinen eigenen Erfahrungen im letzten Dreivierteljahr ein bisschen nachempfinden zu können, wie Karl-Theodor zu Guttenberg die schweren persönlichen Attacken am Ende empfunden hat. In der Auseinandersetzung um Stuttgart 21…

… den umstrittenen unterirdischen Bahnhof in der Innenstadt …

… haben die Grünen eine bis dahin beispiellose Kampagne gegen das Projekt und gegen den Ministerpräsidenten gefahren.

Was war am Widerstand gegen Stuttgart 21 verwerflich?

Die Grünen haben versucht, die parlamentarische Mehrheit für den Bahnhof über den Druck der Straße auszuhebeln. Sie haben sich mit Leuten zusammengetan, die uns als Lügenpack beschimpft haben, um gegen das Parlament und ein rechtlich einwandfreies Verfahren mobil zu machen. Bei allen Fehlern, die die Politik bei diesem Projekt gemacht hat, das war nicht in Ordnung.

Das steckt Ihnen noch in den Knochen.

Das ganze letzte Jahr steckt mir in den Knochen, da will ich nicht drum herum reden. Ich hatte vom ersten Tag an nur lodernde Feuer auf dem Schreibtisch: ein zusammenbrechender Haushalt wegen der weltweiten Finanzkrise, Streit um den Ankauf der Steuersünder-CD, die Diskussion um die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke, dann Stuttgart 21. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass eine demokratische Partei in einer solchen Weise gegen das Parlament mobilisiert und bis heute den Schlichterspruch nicht akzeptiert.

Kommen die Grünen für Sie noch als Koalitionspartner infrage?

Als Demokrat schließe ich keine Koalition mit demokratischen Parteien aus. Das wäre arrogant dem Wähler gegenüber. Aber ich werde alles dafür tun, dass die erfolgreiche und menschlich anständig zusammenarbeitende Koalition aus CDU und FDP die Wahl gewinnt. Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann ist ein anständiger Kollege – für andere gilt das leider nicht.

Wird Stuttgart 21 bei der Wahl noch eine entscheidende Rolle spielen?

Das glaube ich nicht, aber wer CDU wählt, weiß, dass der Schlichterspruch eins zu eins umgesetzt wird. Es ist ein wichtiges Thema, aber für die Baden-Württemberger sind andere Dinge mindestens genauso wichtig.

Nämlich?

Die Baden-Württemberger sind stolz auf den wirtschaftlichen Erfolg dieses Bundeslandes und die niedrigste Arbeitslosenquote aller Länder. Sie wollen auch unser erfolgreiches Bildungssystem beibehalten. Sie wissen, woran sie bei der CDU sind. Und am Ende werden sie sich die Frage stellen, wer das Land am besten in eine gute Zukunft führen kann und ob sie die Alternative zu Schwarz-Gelb wollen: Ein Bündnis von Grünen, SPD und Kommunisten. Ich bin ziemlich sicher, dass die Antwort zu unseren Gunsten ausfällt. Außerdem spielt die Frage des Länderfinanzausgleichs eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Baden-Württemberger sind solidarische Leute. Sie wollen aber nicht, dass sich zum Beispiel Rheinland-Pfalz von ihren Steuergeldern gebührenfreie Kindergärten gönnt, die es bei uns aus Gründen der Haushaltsdisziplin nicht geben kann. Deshalb ist auch jede Stimme für die CDU eine Stimme für unsere Klage gegen dieses ungerechte System.

Herr Mappus, lassen Sie uns zum Schluss noch über den „Krieg der Sterne“ reden.

Was wird das jetzt?

In dem Film gibt es die Figur des Meister Yoda, des weisen Alten, der allen anderen zeigt, wie man die Welt rettet. Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler sieht ihm ein bisschen ähnlich. Hat er nicht auch Ihre Welt gerettet?

Na ja, als ich Heiner Geißler als Vermittler für Stuttgart 21 vorgeschlagen habe, da haben ja alle gedacht, der Mappus ist verrückt geworden. Als ich das in Berlin angekündigt habe, hat keiner was gesagt, aber alle haben mich mitleidig angeguckt.

Aber Sie wussten, dass er eine gute Wahl ist?

Nach den schweren Auseinandersetzungen am 30. September hatte ich nicht allzu viele Möglichkeiten. Anfang Oktober war die Stimmung hier, vorsichtig gesagt, explosiv. Es musste unbedingt eine Schlichtung geben, um die Lage zu entspannen, die Diskussion um die Fakten des Projekts zu ermöglichen. Man hatte ja den Eindruck, es gehe um Krieg und Frieden. Ich hatte zuvor schon Vermittlungsversuche gestartet, die aber an der anderen Seite scheiterten. Und da lese ich eines Morgens in der Zeitung, dass der Grüne Abgeordnete Werner Wölfle Herrn Geißler ins Spiel gebracht hat …

… was er inzwischen bitter bereuen dürfte.

Kaum macht man mal, was die Grünen wollen, ist es auch wieder nicht recht! Ich hab' den Vorschlag jedenfalls aufgegriffen.

Sie standen damals mit dem Rücken zur Wand. Haben Sie an Rücktritt gedacht?

Das waren keine schönen Wochen. Die Krönung allen Übels war natürlich der Tag des Polizeieinsatzes. Da hab’ ich mich am Abend schon gefragt: Warum tu' ich mir das an?

Und dann kam Geißler und erlöste Sie?

Das Land, wir alle verdanken Heiner Geißler, dass man wieder normal und anhand von Fakten sachlich diskutieren kann. Durch die Schlichtung wurde das Projekt verbessert, die Mehrheit ist heute für Stuttgart 21 plus, auch Kritiker akzeptieren heute, dass es Vorteile gibt und die überwältigende Mehrheit will, dass der Schlichterspruch umgesetzt wird. Dafür stehen die CDU und ich persönlich ein. Dass Heiner Geißler die Gespräche brillant geführt hat, viele sie gebannt verfolgt haben, das war schon bemerkenswert.

Wie kann es ihm die CDU danken?

Baden-Württemberg steht gut da, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Bildung – überall sind wir vorne. Das Land bestand auch im Herbst nicht nur aus Stuttgart 21, außer in vielen Medien. Aber ich will auf etwas anderes hinaus: Grundsätzlich muss die Union wieder die Volkspartei werden, wo es die Geißlers, die Blüms, bis hin zu den Straußens gibt. Ich bin in die Junge Union eingetreten, weil ich’s Klasse fand, wie da um die Sache gerungen, ja gestritten wurde. Geißler hat Streitkultur aus- und vorgelebt, auch mit sehr provokanten Thesen. Und zwar nicht um jemanden fertigzumachen, sondern um die Partei lebendig zu halten. Wir brauchen heute mehr geißlersche Streitlust, wenn wir als Volkspartei interessant sein wollen.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum und Stephan Haselberger. Das Foto machte Uwe Anspach (dpa).

Zur Person:

AUFSTEIGER

Stefan Mappus wurde im Februar 2010 als Nachfolger von Günther Oettinger zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gewählt. Der 44-Jährige ist auch CDU-Landeschef. Der Sohn eines Schuhmachers hat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert.

KONSERVATIVER

Mappus hat sich im Lauf seiner Karriere einen Namen als konservativer Haudegen gemacht, der auf die ländliche Wählerschaft setzt und vor starken Sprüchen nicht zurückschreckt.

LANDESVATER

Seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten hält sich Mappus mit polarisierenden Äußerungen merklich zurück. Auch in der CDU will er nun nicht nur das konservative, sondern auch das liberale und das soziale Element zur Geltung bringen. Zwischenzeitlich schlug er sogar gegenüber den Grünen moderatere Töne an. Deren Kampagne gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 hat Mappus aber derart erbost, dass eine schwarz-grüne Koalition Im Südwesten als ausgeschlossen gilt. has

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