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Sergey Aksenov (2 v. r.), Mitglied der pro-russischen Partei "Das andere Russland" nach der Soldatenvereidigung auf der Krim.

© AFP

Update

Krise in der Ukraine: Steinmeier kritisiert Unabhängigkeitserklärung des Krim-Parlaments

SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier kritisiert die Unabhängigkeitserklärung der Krim als „Beitrag zur weiteren Zuspitzung“ der Krise. Sollte das anstehende Referendum nicht verschoben werden, treten Montag neue Sanktionen der EU gegen Russland in Kraft.

Noch vor der für den kommenden Sonntag angesetzten Volksabstimmung über den Status der Krim hat das prorussische Regionalparlament die Unabhängigkeit des Gebiets von der Ukraine erklärt. 78 von 81 Abgeordneten hätten am Dienstag eine „Unabhängigkeitserklärung der autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ gebilligt, wie der Pressedienst des Parlaments mitteilte.

Am 16. März 2014 soll die aus mehrheitlich ethnischen Russen bestehende Bevölkerung der Krim in einem Referendum über eine mögliche Abspaltung von der Ukraine und künftige Zugehörigkeit zu Russland entscheiden.

Verschärft wird diese Entscheidung durch die Bekanntmachung der selbst ernannten Führung der ukrainischen Halbinsel Krim. Sie verkündete, die im dortigen Hafen stationierten ukrainischen Kriegsschiffe beschlagnahmen und nicht an die Regierung in Kiew zurückgeben zu wollen. Die Fahrrinne in Sewastopol sei bereits blockiert, sagte der Moskau-treue Regierungschef Sergej Aksjonow am Dienstag der Agentur Ria Nowosti.

Das russische Parlament will kommende Woche über Gesetzesänderungen diskutieren, die eine Aufnahme der ukrainischen Halbinsel Krim ermöglichen sollen. Die Staatsduma werde am 21. März über eine Änderung der Gesetze zur Aufnahme ausländischer Gebiete in die Russische Föderation beraten, sagte der Abgeordnete Wjatscheslaw Nikonow von der Regierungspartei Einiges Russland am Dienstag der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Laut dem Urheber der Initiative, Sergej Mironow, könnte binnen einer Woche das Gesetz geändert werden.

Das geltende Gesetz von 2001 sieht vor, dass ein Staat Moskau um Aufnahme bitten muss. Die nun vorgeschlagenen Änderungen sollen es erlauben, ein Gebiet ohne die Zustimmung des betroffenen Ursprungslandes aufzunehmen, wenn es dort keine legitime Zentralregierung gibt. Die Krim ist bisher eine autonome Teilrepublik der Ukraine, doch hat die Krim-Regierung, die infolge des politischen Umsturzes in Kiew an die Macht gelangt war, für Sonntag ein Referendum über die Zukunft der Region anberaumt.

Verstoß gegen internationales Recht

Die mehrheitlich russischsprachigen Bürger der Krim sollen entscheiden, ob ihre Region deutlich mehr Autonomie in der Ukraine erhalten oder sich der Russischen Föderation anschließen soll. Die Interimsregierung in Kiew sowie der Westen betrachten das Referendum als Verstoß gegen ukrainisches und internationales Recht und wollen das Ergebnis nicht anerkennen. Moskau zeigt sich aber offen für die Aufnahme der Krim und bereitet mit der Gesetzesänderung offenbar einer raschen Eingliederung des Gebiets den Weg.

Janukowitsch ruft zur Befehlsverweigerung auf

Nun meldet sich auch der vom ukrainischen Parlament abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch zu Wort. Er hat die Streitkräfte des Landes zur Befehlsverweigerung aufgerufen. Er sei nach wie vor der rechtmäßige Staatschef und somit auch Oberbefehlshaber des Militärs, sagte Janukowitsch am Dienstag auf einer Pressekonferenz im russischen Rostow am Don.

Die Armee solle keine “kriminellen Befehle“ befolgen. Eine “Bande von Ultranationalisten und Neofaschisten“ habe die Macht in Kiew übernommen. “Ich möchte die westlichen Schutzpatrone dieser dunklen Mächte fragen: Seid Ihr blind geworden? Habt Ihr vergessen, was Faschismus ist?“ Es war das zweite Mal, dass sich Janukowitsch seit seiner Absetzung am 22. Februar öffentlich in Russland äußerte. Dorthin war er nach seinem Sturz geflohen.

Illegale Präsidentenwahl und "Banditen" des Westens

Die für den 25. Mai angesetzte Präsidentenwahl sei illegal, sagte Janukowitsch. Das gelte auch für US-Finanzhilfen für die Ukraine, da amerikanisches Recht keine Unterstützung von “Banditen“ erlaube. Es sei zudem die Schuld seiner Gegner, dass sich die Krim von der Ukraine abspalte. In der neuen, prowestlichen Regierung in Kiew sind mehrere Posten an Vertreter rechtsextremer nationalistischer Gruppen vergeben worden. Die Regierung in Moskau sieht auch deshalb die Sicherheit von Russen in der Ukraine gefährdet. Sie behält sich daher das Recht vor, militärisch auf der Krim und im russisch-geprägten Osten der Ukraine einzugreifen.

Zudem haben die Behörden auf der Krim den Luftraum über der ukrainischen Halbinsel für Verkehrsflugzeuge gesperrt. Mit Ausnahme der Verbindungen aus Moskau sind alle Flüge in die Krim-Hauptstadt Simferopol ausgesetzt worden. Ein ukrainisches Flugzeug wurde auf dem Weg von Kiew nach Simferopol auf der Krim abgewiesen und musste in die Hauptstadt zurückkehren.

Größter Flughafen der Krim gesperrt

Der Pilot erklärte den Passagieren, die Krim-Behörden hätten den Luftraum für alle Linienflüge gesperrt. Die Milizionäre hinderten Reporter daran, mit Flughafenmitarbeitern zu sprechen. Ein Milizionär, der seinen Namen als Iwan angab, sagte, sie würden den Kontrollturm und die Rollbahn blockieren. Damit sollten Aktivisten aus Krim gehindert werden, auf die Krim zu kommen. Ukraine International Airlines teilte mit, am Dienstag und Mittwoch seien alle Flüge von Kiew nach Simferopol annulliert worden. Simferopol hat den größten Flughafen auf der Halbinsel.

OSZE verlängert Mission in der Ukraine

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verlängert auf Bitten der Ukraine ihre militärische Beobachtermission in dem Land. Das teilte die Staatenorganisation am Dienstag in Wien mit. Ursprünglich sollte die unbewaffnete Expertengruppe am Mittwoch wieder ausreisen. Den Beobachtern ist bei ihrem Einsatz seit vergangenem Mittwoch der Zugang zur Krim verwehrt geblieben. Moskautreue „Selbstverteidigungskräfte“ wiesen die Gruppe mehrmals von Kontrollposten ab und gaben dabei auch Warnschüsse ab.

Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hat vor schnellen Sanktionen gegen Russland gewarnt. “Ich finde, dass wir mit der Androhung von Sanktionen nicht zu übereifrig sein sollten“, sagte sie am Dienstag in Berlin. Man müsse sehr genau überlegen, was man mit Sanktionen erreichen wolle. “Macht es Sinn oder ist es nur eine Trotzhaltung?“ In der EU gibt es offenbar unterschiedliche Ansichten, ob weitere Sanktionen gegen Russland noch vor dem umstrittenen Referendum über eine Abspaltung der ukrainischen Krim am Sonntag verhängt werden sollten.

Dreistufiges Sanktionsverfahren gegen Russland

Während der französische Außenminister Laurent Fabius neue Sanktionen bereits für diese Woche andeutete, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), er rechne damit erst nach dem Referendum auf der Krim. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten am Donnerstag ein dreistufiges Sanktionsverfahren gegen Russland beschlossen. Direkt umgesetzt wurde die Aussetzung von bilateralen Verhandlungen. Die zweite Stufe umfasst Einreiseverbote und Kontensperrungen, in der dritten Stufe könnten wirtschaftliche Sanktionen folgen.

Deutschland sei zu abhängig von Russland

Hasselfeldt wies zudem den Vorwurf des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zurück, dass die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas gefährlich sei. “Man darf die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland nicht nur auf Gas reduzieren“, sagte die CSU-Politikerin. Zudem werde die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen übertrieben, auch würden Einschränkungen Deutschland nicht sofort massiv treffen. “Es ist ja nicht so, dass es nur in Russland Gas gibt.“

Angst im Baltikum

Außenminister Steinmeier sicherte den drei baltischen EU- und Nato-Mitgliedern Estland, Lettland und Litauen Deutschlands Solidarität zu. Angesichts von baltischen Sorgen vor einer russischen Aggression wie auf der Krim sagte Steinmeier am Dienstag in der estnischen Hauptstadt Tallinn: „Wir lassen Estland und die baltischen Staaten nicht allein. Das ist kein Problem von Estland oder den baltischen Staaten. Das ist ein gemeinsames Problem der EU und der Nato.“ Die baltischen Staaten sind ebenso wie die Ukraine frühere Sowjetrepubliken.

Sanktionen bis kommenden Montag

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Unabhängigkeitserklärung des Regionalparlaments auf der Krim als „Beitrag zur weiteren Zuspitzung“ kritisiert. Dies sei nur der Versuch, dem für Sonntag geplanten Referendum über eine Loslösung von der Ukraine einen „legalen Anschein“ zu geben, sagte Steinmeier nach einem Treffen mit Lettlands Präsident Andris Berzis am Dienstag in Riga. Steinmeier bekräftigte die EU-Vorbereitungen für weitere Sanktionen gegen Moskau. „Wenn das Referendum nicht verschoben wird, dann wird man spätestens am Montag eine weitere Entscheidungsstufe haben.“

(AFP,dpa,Reuters)

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