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Politik: Steter Tropfen

Wie die Europa-Abgeordneten Gesetze machen

Berlin - „Rauchen tötet“ oder „Rauchen macht impotent“ – seit September sind Zigarettenhersteller in der EU zu den großflächigen Hinweisen auf den Packungen verpflichtet. Diese Warnung haben die Raucher auch der Gesetzgebungsarbeit des Europaparlaments zu verdanken, das heute gewählt wird. Mit der Arbeitsweise des Bundestages hat dessen Vorgehen wenig zu tun – der Spielraum in Straßburg ist geringer als der im Reichstag. Doch die Europaparlamentarier sind durchaus imstande, ihre Macht auszureizen.

Das Initiativrecht im EU-Gesetzgebungsverfahren liegt bei der Kommission. Die Vertretung der Mitgliedstaaten, also der Ministerrat, und das Parlament erlassen gemeinsam die Gesetze, bei denen es sich oft um so genannte Richtlinien handelt. So steht es im politischen Lehrbuch. Tatsächlich hat sich der Ministerrat zum eigentlichen europäischen Machtzentrum entwickelt. Bei Themen wie Asyl- und Einwanderungspolitik hat das Parlament kein Mitentscheidungsrecht. Dafür hat es sich bei Fragen des Binnenmarktes oder des Verbraucherschutzes zum gleichberechtigten Partner des Ministerrats entwickelt.

Was die Hinweise auf Zigarettenschachteln betrifft, legte die Kommission 1999 einen Richtlinienentwurf mit dem Ziel vor, diese zu harmonisieren und stärker über die Gefahren des Rauchens aufzuklären. Im Jahr darauf befasste sich das Parlament in erster Lesung mit der Richtlinie; zugleich machte sich der Ministerrat seine eigenen Gedanken – und legte dann prompt einen eher gemäßigten Entwurf vor. Am 14. Dezember 2000 aber sprach sich das Parlament in zweiter Lesung dafür aus, auf den Packungen deutlich größere Warnhinweise anzubringen. Die EU-Gesundheitsminister lehnten ab. Damit war eingetreten, was typisch ist für das EU-Gesetzgebungsverfahren: Die Richtlinie landete im Vermittlungsausschuss.

Nach dem Einspruch der Gesundheitsminister verging noch ein halbes Jahr, bevor eine gemeinsame Lösung mit dem Straßburger Parlament gefunden war. Weil in Brüssel inzwischen immer mehr weit reichende Entscheidungen getroffen werden, können auch die Verbände bei ihrer Lobbyarbeit die europäische Ebene nicht mehr außer Acht lassen. Auch die Zigarettenindustrie, die damals gegen die geplanten Packungshinweise Sturm gelaufen war.

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