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Politik: Steuerreform: Friedrich Merz rückt von der Forderung nach 35 Prozent Spitzensteuersatz ab - CSU-Spitze sauer

Als der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser am Dienstagmorgen die neuesten Zeitungsmeldungen las, wurde er richtig wütend. Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, rückte überraschend öffentlich von der Forderung der Union ab, den Spitzensatz bei der Einkommensteuer bis auf 35 Prozent zu senken, las er da.

Als der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser am Dienstagmorgen die neuesten Zeitungsmeldungen las, wurde er richtig wütend. Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, rückte überraschend öffentlich von der Forderung der Union ab, den Spitzensatz bei der Einkommensteuer bis auf 35 Prozent zu senken, las er da. Damit schlug Christdemokrat Merz sich selbst einen der stärksten Trümpfe der Opposition im Vermittlungsverfahren über die rot-grüne Steuerreform aus der Hand. Joachim Poß, der für die Themen Finanzen, Haushalt und Steuern zuständige Fraktionsvize der SPD, kommentierte das mit entsprechender Freude. Schließlich habe Merz mit seinen neuesten Äußerungen zugegeben, dass selbst er das von der Union vorgeschlagene Modell einer Steuerreform für nicht finanzierbar hält.

Im Gespräch mit der deutschen "Financial Times" hatte der CDU/CSU-Fraktionschef eingeräumt, dass Änderungen der rot-grünen Steuerreform Grenzen durch die öffentlichen Haushalte gesetzt werden. "Die kleinen Länder wie Saarland, Bremen, Berlin, aber auch andere können nur begrenzte zusätzliche Entlastungen verkraften", sagte Merz. Alle drei genannten Länder haben CDU-Finanzminister, und alle drei haben offenkundig Probleme mit der Unionsforderung, den Spitzensteuersatz auf 35 Prozent zu senken.

Faltlhauser mag so kampflos vom Unionsmodell und seinem Spitzensteuersatz von 35 Prozent jedoch nicht lassen. Mit den Worten "so, so, das ist mir neu", kommentierte er die These, nach Merzens Äußerung sei diese Forderung vom Tisch. Am kommenden Freitag, wenn sich der Vermittlungsausschuss das nächste Mal trifft, um über die Steuerreform zu beraten, würden "mögliche Missverständlichkeiten sicherlich geklärt werden".

Statt dessen will Merz die von der Regierung geplante Abschaffung des Vollanrechnungsverfahrens zum neuen Streitpunkt machen. Worum geht es dabei? Bislang können die Anteilseigner von Kapitalgesellschaften die vom Unternehmen bezahlte Körperschaftssteuer bei ihrer Einkommensteuer voll anrechnen. Nach dem neuen, von Finanzminister Eichel geplanten sogenannten Halbeinkünfteverfahren würden die Gewinne aller körperschaftssteuerpflichtigen Unternehmen künftig definitiv mit 25 Prozent besteuert. Die Anteilseigner haben dann keine Verrechnungsmöglichkeit mehr, müssten aber nur noch die Hälfte des ausgeschütteten Gewinns mit ihrem individuellen Einkommensteuersatz versteuern.

Merz fordert nun, dass Eichel auf diese Umstellung verzichtet. Schon am vergangenen Freitag hat er das überraschend zum zentralen Angriffsthema der Opposition gemacht. In einem Brief an Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde, der Vorsitzender des Vermittlungsausschusses ist, schrieb Merz jetzt: "Für den Fall, dass am Freitag die Entscheidung für die Beibehaltung des Anrechnungsverfahrens getroffen werden kann, sehe ich trotz vieler Details, die noch zu klären sind, gute Chancen, das Vermittlungsverfahren mit einer Verständigung auf eine Steuerreform noch vor der parlamentarischen Sommerpause abzuschließen."

Und wenn nicht? Poß sieht den Spielraum für Kompromisse stark eingeengt. Beim Vollanrechnungs- und beim Halbeinkünfteverfahren gibt es nur ein Entweder-Oder. "Die Strategie von CDU/CSU und vor allem von Merz ist auf ein Scheitern des Vermittlungsverfahrens programmiert" sagt der Sozialdemokrat. In einem Brief an die rot-grünen Mitglieder des Ausschusses schrieb Poß am Montag: "Das Halbeinkünfteverfahren ist ein wesentlicher Pfeiler der gesamten Steuerreform. Sie steht und fällt mit dem Systemwechsel." Die Regierung meint, das neue Verfahren sei europatauglicher und weniger missbrauchsanfällig. Rot-Grün will also hart bleiben am Freitag, die Union klärt ihre "Missverständlichkeiten" - und in der Woche drauf geht es am Donnerstag in die nächste Runde.

Carsten Germis

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