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Politik: Stichwahl in Kroatien

Präsident Mesic verfehlt knapp absolute Mehrheit / Gegenkandidatin setzt auf patriotische Parolen

Der kroatische Präsident Stipe Mesic muss seinen Posten in einer Stichwahl gegen die konservative Herausforderin Jadranka Kosor verteidigen. Nachdem der seit 2000 amtierende, von der Mitte-links-Opposition unterstützte Mesic am Sonntag mit 48,9 Prozent knapp die absolute Mehrheit verfehlte, gehen politische Beobachter in Zagreb von einem klaren Sieg gegen die Kandidatin der Regierungspartei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) beim zweiten Wahlgang in zwei Wochen aus.

Der 70-jährige Mesic, der 1991 letzter jugoslawischer Präsident vor dem Beginn der Balkankriege war, setzt auf eine rasche Annäherung Kroatiens an die Europäische Union. Erste Verhandlungen sollen bereits Mitte März beginnen. Auch die Regierung von Premierminister Ivo Sanader, in der Mesics Gegenkandidatin Kosor bislang Ministerin für Familie, Generationensolidarität und Kriegsveteranen war, schwenkte 2003 auf einen Pro-EU-Kurs ein.

Konservative Hardliner innerhalb der vom früheren kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman gegründeten HDZ stehen einem EU-Beitritt jedoch skeptisch gegenüber. Außerdem wird die mit der Abkehr von nationalen Werten einhergehende EU-Linie Sanaders nicht vom gesamten HDZ-Wählerpotenzial befürwortet, vor allem deshalb, weil sie mit unpopulären Maßnahmen wie der Kooperation mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verbunden ist.

Um bis zur zweiten Runde am 16. Januar zu Mesic aufzuschließen, dürfte die HDZ-Kandidatin Kosor deshalb versuchen, durch patriotische Parolen vor allem das nationalistische Wählermilieu ansprechen. Bis zur Bekanntgabe der vorläufigen amtlichen Endergebnisse in der Nacht zum Montag hatte Kosor in Fernsehumfragen nur auf Rang drei gelegen. Am Ende landete sie aber mit 20,18 Prozent vor dem aus Kroatien stammenden US-Geschäftsmann Boris Miksic. Der kündigte noch am Wahlabend an, das Ergebnis anzufechten.

Vor einem peinlichen Aus schon nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen bewahrten die 51-jährige Exjournalistin lediglich die Stimmen der Auslandskroaten: In der traditionell konservativen Emigrantenszene erzielte Kosor 59,7 Prozent der Stimmen (rund 43 000 von 72 000). Mesic kam in diesen Kreisen auf rund 14 Prozent (etwa 10 000 Stimmen). Die Beteiligung war mit 51 Prozent der 4,4 Millionen Wahlberechtigten äußerst niedrig.

Wie Kosor, die während des Wahlkampfes ihre Fürsorge für Kriegsveteranen besonders hervorhob, setzte auch der vor rund 30 Jahren in die USA emigrierte Miksic auf die nationalistische Wählerschaft. So versuchte er sich als Fürsprecher der vom UN-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagten kroatischen Offiziere zu profilieren. „Wenn ich Präsident wäre, würde General Ante Gotovina in Kroatien frei spazieren gehen“, erklärte er etwa auf einer Veranstaltung.

Die von Präsident Mesic immer wieder kritisierte Nichtverhaftung Gotovinas durch die kroatischen Behörden gilt als eines der Haupthindernisse bei der Annäherung des Adria-Anrainers an die EU. Kosor hatte sich in Abgrenzung von Mesic noch während des Wahlkampfes für einen national eigenständigen Weg Kroatiens in die Gemeinschaft ausgesprochen. „Wir sollten den Weg in die EU aufrecht gehen und dabei vor niemandem buckeln“, erklärte sie.

Markus Bickel[Sarajevo]

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