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Der Gerichtssaal in München, im Umbau für den Prozess. Im Vordergrund die Plätze für Nebenkläger und Anwälte. Darüber die Tribüne für Besucher und Presse.

© AFP

NSU-Prozess: Stickig, hässlich, geschichtsbeladen - der Gerichtssaal A 101 in München

Der Justizsaal A 101 in München, in dem der NSU-Prozess stattfinden wird, ist so berühmt wie berüchtigt. Hier standen in den vergangenen Jahren der Kriegsverbrecher Demjanjuk, jugendliche Mörder, Formel-1-Chef Bernie Ecclestone und der Fußballer Breno vor Gericht.

Er hat schon viel erlebt in den 36 Jahren seiner Existenz: Lüge und Mord, Elend und Betrug, Mitleid und Verachtung. Kaum ein Verbrechen, zu dem Menschen fähig sind, ist in dem Schwurgerichtssaal A 101 im Münchner Justizgebäude nicht zur Verhandlung gekommen. Vom 17. April an soll das Oberlandesgericht in dem Saal, dem größten in der bayerischen Landeshauptstadt, über mehr als zwei Jahre hinweg die Geschichte des NSU-Terrors aufklären und die individuelle Schuld der Hauptangeklagten Beate Zschäpe ermitteln.

Was sich allein in den letzten drei Jahren an immer denselben Tischen, auf immer denselben orangefarbenen Sitzen schon abgespielt hat: Der inzwischen verstorbene NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk wurde Tag für Tag auf dem Krankenbett hereingerollt und hörte sich bis zum Urteil die Vorwürfe der Gräueltaten regungslos an. Hier wurde gegen die jungen Täter verhandelt, die den Unternehmer Dominik Brunner totgeprügelt hatten, weil er Kinder schützen wollte. Der Mörder der beiden Mädchen von Krailling – ihr eigener Onkel – sorgte für Schauder und Ekel mit seinem häufigen Grinsen und den abstrusen Rechtfertigungsreden. Mitleid hingegen rief der junge brasilianische Fußballer Breno vom FC Bayern München hervor, der aus Verzweiflung und im Rausch seine eigene Villa bis auf die Grundmauern niedergebrannt hatte. Für Glamour und eine gute Show sorgte Formel-1-Chef Bernie Ecclestone als Zeuge in einem Schmiergeldprozess – auch wenn seine Ausführungen nur wenig mit der Wahrheit zu tun gehabt haben dürften.

Der siebengeschossige Gerichtskomplex mit dem Saal A 101 als Kern ist ein typischer Betonklotz aus den 1970er Jahren mit allen Hässlichkeiten, Bausünden und später aufgetretenen Mängeln. Vergammelt, marode, baufällig – so wird das Gebäude immer wieder beschrieben. Es tropft, rostet und schimmelt, Toiletten müssen über Monate hinweg geschlossen werden. 2018 soll ein neues Justizzentrum in eineinhalb Kilometer Entfernung eröffnet werden, dann wird das jetzige abgerissen.

Auch der Schwurgerichtssaal besticht vor allem durch den Charme vergangener Zeiten. Es ist ein ziemlich vermurkster Raum. Zwei schmale Fenster an der Seite zur Straße lassen fast kein Tageslicht hinein. Ist er voll besetzt, wird der Sauerstoff rasch knapp. Wie sehr die Besucher dann gegen die Müdigkeit ankämpfen müssen, zeigt sich an ihren immer wieder zur Brust herabsinkenden Köpfen. An warmen Sommertagen sollte man Taschentücher zum Abwischen des Schweißes parat haben, denn die Temperaturen im Saal steigen dann auf über 30 Grad.

Und wer sich nicht auskennt, der macht den Fehler, dass er sich in den Publikumsreihen auf die linke Seite setzt. Von dort versperrt aber eine Mauer die Sicht auf die Angeklagten. Wie schön ist es da doch in der bayerischen Provinz, in Augsburg: Der große Saal am dortigen Landgericht ist ebenerdig und luftig, raumhohe Fenster geben den Blick frei nach draußen.

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