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Politik: Stimmabgabe ist Stimmungssache

Nie gab es mehr Jungwähler – doch ihr Interesse für Politik ist gering

Von Matthias Eggert

„Geht wählen! Sonst gewinnen die Falschen", fordert Serienstar und Sängerin Jeanette Biedermann 3,3 Millionen Erstwähler auf. Die 21-Jährige hat sich mit anderen Musikern der Kampagne „Vote! – Ohne Stimme hört Dich keiner“ angeschlossen. Bei der Bundestagswahl am 22. September gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes so viele Erstwähler wie nie zuvor.

Und nie zuvor gab es nach Einschätzung des Politologen und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Nils Diederich so viele überparteiliche Initiativen, die Erstwähler zum Wahlgang ermutigen wollen. Denn: Unter den Nichtwählern bilden Erstwähler inzwischen die zweitgrößte Gruppe. Ist die viel beschworene Politikverdrossenheit der Grund dafür?

„Jugendliche sind von der Politik nicht stärker frustriert, und sie sind nicht weniger politisch interessiert als alte Menschen", hat Dieter Roth von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen festgestellt. Es seien lediglich die Strukturen und Angebote gerade der alten, etablierten Parteien, die die jungen Leute häufig abschreckten. Politisches Interesse zeigen diese nämlich sehr wohl – auf Feldern, die nichts oder möglichst wenig mit Parteien und ihren Funktionärskadern zu tun haben.

Waren es früher etwa noch die Grünen, die Jugendliche für Politik begeistern konnten, ist es heute beispielsweise die Organisation der Globalisierungskritiker, Attac. Nach Angaben von Attac wollen derzeit jede Woche knapp 50 Jugendliche im Erstwähler-Alter in der Organisation Mitglied werden.

Ältere Wähler sind pflichtbewusster

„Jugendliche interessieren sich dann für Politik, wenn sie spezifisch den Einzelnen anspricht und sich mit den Interessen des Jugendlichen deckt", sagt der Politikwissenschaftler Diederich. Außerdem schätzten Jugendliche demokratische Verhältnisse als absolut selbstverständlich ein, ergänzt Wahlforscher Dieter Roth. „Ältere Menschen, die auch noch andere Verhältnisse kennen, haben ein stärkeres Pflichtbewusstsein, zur Wahl zu gehen."

Wahlforscher und Soziologen sind sich einig: Jugendliche unterliegen besonders stark ihren Stimmungen. „Ihre Wahlbeteiligung lässt sich deshalb nur sehr schwer prognostizieren", sagt Richard Hilmer vom Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap. Es kann folglich gut sein, dass deshalb ihre Wahl am 22. September nicht auf das Wahllokal, sondern auf den Badesee fällt.

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